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Mini-Garantiezinsen für AltersvorsorgeSchluss mit der Riester-Rente

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Wer privat vorsorgt, zahlt mehr ein, als er bekommt. Die Riester-Rente muss abgewickelt und in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden.

Für die meisten privaten Rentenpolicen soll der Garantiezins von 0,9 auf 0,25 Prozent gesenkt werden Foto: Eckhard Stengel/imago

D ie private Rentenversicherung, und damit die üblichste Form der individuellen Altersvorsorge, ist am Ende. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will für neue Kapitallebensversicherungen – dazu gehören die meisten privaten Rentenpolicen – den Garantiezins von 0,9 auf 0,25 Prozent senken. Das ist eine Folge der niedrigen Zinsen auf den Kapitalmärkten.

Die Senkung klingt nach einem technischen Detail, hat aber fatale Auswirkungen: Denn dadurch besteht die Gefahr, dass Kun­d:in­nen mehr in die Versicherung einzahlen, als sie später bekommen. Der Garantiezins legt fest, mit welchem Satz ein Versicherer das eingezahlte Geld mindestens verzinst – abzüglich der vom Unternehmen festgelegten Kosten und der Provision für den oder die Vermittler:in. Und diese Abzüge werden mit der künftigen Verzinsung nicht wieder reingeholt.

Die rot-grüne Bundesregierung hat die Bür­ge­r:in­nen zu Beginn des Jahrhunderts mit der Kürzung der gesetzlichen Renten in die private Altersvorsorge getrieben. Sie hat damit den Anspruch aufgegeben, dass das umlagefinanzierte Ruhegeld zum ­Leben reicht. Die Riester-Rente mit ihrer durchaus großzügigen staatlichen Förderung sollte das ausgleichen. Das ist komplett gescheitert, weil davon vor allem die Finanzbranche profitiert hat. Die Unternehmen müssen Kun­d:in­nen zwar den Kapitalerhalt garantieren. Doch die müssen schon ziemlich alt werden, damit sie davon etwas haben. Und selbst wenn: Angesichts der Inflation ist es ein Verlust, wenn Kun­d:in­nen nur genau das bekommen, was sie eingezahlt haben.

Die Riester-Rente muss abgewickelt und in die gesetzliche Rentenversicherung überführt werden. Und nicht nur das: Die rot-grünen Rentenkürzungen müssen zurückgenommen werden. Die von der SPD auf den Weg gebrachte Grundrente ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber die Zugangsvoraussetzungen etwa für Menschen mit fragmentierter Erwerbsbiografie sind immer noch zu hoch. Viele Leute mit niedrigem Einkommen haben Angst vor Altersarmut. Die sollte die nächste Bundesregierung ihnen nehmen: mit einer Mindestrente für alle, die zum Leben reicht.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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9 Kommentare

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  • Der nächste Angriff auf das Umlagesystem durch Maschmeyer, Raffelhüschen und Co ist doch schon vorprogrammiert, flankiert durch Wirtschaftsweise, Gutachten und öffentlich-rechtlicher Panikmache mit der demografischen Entwicklung.

    Mit Riestervertägen können sie sich ja jetzt die Taschen nicht mehr füllen, da müssen "Reformen" her.

  • Zähl mal durch - wa!

    Agenda 2010 - Hartz IV - Riester-Rente -



    Steuersenkungen - Deregulierung …bitte selbst einsetzen!



    “Riester-Rente? Jung - laß bloß die Finger von!



    Überleg doch mal. Das kann sich nicht rechnen!“



    De Ohl - de ollen Koofmich - ming Vaddern.

    kurz - Der Freund vom lupenreinen Demokraten!



    "Man kann es so oder so machen. Ich bin für so."



    GazPromGerd zur Steuerreform 2003 & überhaupt - 🤑 -

  • Die gesetzliche Rentenversicherung in ihrer aktuellen Form ist selbst ein riesiges Problem. Man sollte das komplette System umgestalten hin zu einer allgemeinen steuerfinanzierten Altersrente ohne Anwartschaftsakkumulation u.ä.

    Die Höhe kann sich an einem Bruchteil (60, 70 %) eines Vollzeitgehalts mit Mindestlohn orientieren. Also eine Rente für alle ab einem bestimmten Alter und das finanziert über ein - hoffentlich faires und leistungsgerechtes - allgemeines Steuersystem; so ähnlich wie in Australien oder den Niederlanden. Das österreichische System ist auch ok, weil dort alle Erwerbstätigen einzahlen und das System der Beamtenabsicherung gleichgeschaltet ist, aber steuerfinanziert ist noch besser.

    Dass die gesetzliche Rentenversicherung in DE als "Falle" wahrgenommen wird (oder wenigstens lange Zeit wurde) und deshalb viele versuch(t)en ihr zu entkommen, ist das Basisproblem. Die teilweise steuerliche Querfinanzierung macht das auch nicht besser, weil gerade die besten Beitragszahler auch ordentlich Steuern bezahlen. Wer zusätzlich zu einer allg. Altersrente noch etwas ansparen oder anlegen möchte: Der Kapitalmarkt bietet reichlich Möglichkeiten jenseits festverzinslicher Produkte.

    So eine Reform ist nicht einfach, aber je länger man damit abwartet, desto schwieriger wird es, und die Gerechtigkeitsprobleme des vorhandenen heterogenen Systems werden sich zukünftig noch verstärken.

    PS.: Ich habe eine (relativ alte, abgeschlossen 2005) Rieser-Rente, Aktien-Fonds-basiert, schon zu Studienzeiten bespart (am Anfang mit 5€ im Monat), bei einer Onlinedirektversicherung abgeschlossen, keine Maklergebühren, sehr, sehr lukrative und sich rentierende Geschichte (auch wegen der Zulagen und der Steuervergünstigungen), hilft nur mir, aber es war nicht so schwer da von Anfang das Richtige zu tun.

    • @Shaftoe:

      Zur Aufklärung;

      Rentenexperte Otto Teufel



      : Einer schuftet im Augiasstall



      Der Bruder von Fritz Teufel ist einer der versiertesten, kritischsten Rentenexperten Deutschlands. Seit 30 Jahren kämpft er gegen die Rechentricks der Rentengesetzgebung. “



      Gabriele Goettle



      taz.de/Rentenexper...o-Teufel/!5127666/

      • @Lowandorder:

        Vielen Dank! Ein epochaler Artikel. Und auch schon 10 Jahre alt. Genau das sind die Probleme. Mir war da vieles bekannt/bewusst, aber nicht alles.

        Wahnsinn, dass dieses Thema - es ist ja eigentlich das größte Gerechtigkeitsproblem der dt. Nachkriegsgeschichte - nicht von irgendeiner politischen Partei konsequent bearbeitet wird. Kein gutes Zeichen für die Funktionalität unseres pol. Systems.

        [Bzgl. der Riester-Rente würde ich anmerken, dass es durchaus brauchbare Verträge gab/gibt. Aber dazu durfte man nicht bei dem Vertreter kaufen, der einem auch die Hausratversicherung angedreht hat. Aber das ist dazu eigentlich nur eine Fußnote]

        • @Shaftoe:

          Ok. Dann noch der aus Vadderns Kiste:

          Mir waren diese vielfältigen Schräglagen früh “bewußt“ - beginnend bei (Beamte/Richter etc gehen mit fast 75 % nachhause - Rentner mit 40 plus günstigstenfalls) & das Gerede “nicht bezahlbar“?! Ah geh.



          Uns Ohl*03 - immer geklebt - auch post WK II als Selbständiger! Der hatte - trotz mehrerer Währungsreformen etc mit der hälftigen SchwerbeschädigtenRente meiner Mutter - als Rentner mehr auf Tasche - als ich als Richter aktive! Bezüge hatte.



          Ja Otto Teufel - is einsame Spitze & nicht nur die taz heute - ein lausiger mainstream asi-Verein.

        • @Shaftoe:

          .. zumal die GRV ja quasi das Hauptumverteilungsinstrument der dt. Wiedervereinigung war. Also *in* der GRV wurde west-/ostdeutsche Solidarität hergestellt und außerhalb eher nicht, eher das Gegenteil. Das ist wirklich unglaublich alles.

  • Ich bin kein Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung und habe mich aus vier Gründen für Riester entscheiden: Kinderzulage, Steuervorteil, Diversität und Insolvenzabsicherung. Riester hat auch nichts mit der Angst vor Altersarmut und ähnlichem zu tun.

    Wenn man Riester also auflösen wollen würde, dann zahlt das Geld (nebst erworbenen Zulagen) bitte wieder aus. Ich stocke dann lieber meine anderen privaten Altersvorsorgeprodukte (ETF, Bitcoin) auf. Alternativ könnte man bereits bestehende Verträge einfach weiter laufen lassen und nur den Neuabschluss verhindern (z.B. durch Streichung von Fördermaßnahmen).

    • @DiMa:

      Bitcoin, toll! Sichert vielleicht ein paar alte Leute ab, die Jungen müssen dann den CO2 - Ausstoß schlucken. So lange diese "Währungen" so viel Strom verbrauchen sind sie genau so zu ächten wie Kreuzfahrten. Oder mehr. So bald hier die Überschwemmungen auch die vom teuren Landschaftsgärtner angelegten Villengärten wegschwemmen, den SUV gleich mit, der vor der Garage stand, gibt es vielleicht ein Umdenken.