Mindestlohnforderung von Hubertus Heil: Schlechter Stil
Der Arbeitsminister verspricht in der Presse mehr Mindestlohn. Dabei hintergeht er die eigens eingesetzte Expertenkommission.
S tellen Sie sich vor, Sie sind Mitglied in einer wichtigen unabhängigen Kommission, die über die Lebensbedingungen vieler Menschen entscheidet und sogar in einem Gesetz verankert ist. Sie nehmen ihre Rolle ernst, graben sich tief in die Materie ein. Sie wägen sorgfältig und über Monate Für-und-Wider-Argumente mit ihren KollegInnen ab, die nicht zwingend ihrer Meinung sind. Aber dann, auf halber Strecke, meldet sich ein Bundesminister, der Ihnen gar nicht reinreden darf, und sagt Ihnen via Bild am Sonntag, wo es langzugehen hat. Das fänden Sie wahrscheinlich ziemlich demotivierend; sie denken womöglich: „Mach’s doch selbst, du Wichtigtuer!“
So fühlen sich wahrscheinlich gerade die Mitglieder der Mindestlohnkommission, die über die regelmäßige Erhöhung des Mindestlohns zu befinden hat. SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil stellt im Interview eine Prognose auf, die man auch als Befehl verstehen kann: „Arbeit muss sich lohnen. Deshalb wird es zum nächsten Jahr eine weitere Erhöhung des Mindestlohns geben“.
Über den ersten Satz dürfte es zweifellos Konsens geben. Mit dem zweiten Satz stellt Heil en passant den Sinn der unabhängigen Kommission infrage. Die Kommission wurde nach dem Prinzip der Sozialpartnerschaft aufgestellt: ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen sind paritätisch vertreten, die Vorsitzende wird schön sozialpartnerschaftlich von beiden Seiten bestellt. Die Kommission soll, so steht es im Gesetz, auch die „Wettbewerbsbedingungen“ der Unternehmen im Blick haben. Das ist eine Konzession – Achtung, Sozialpartnerschaft! – an die ArbeitgeberInnen.
Man kann das zu kompromissorientiert finden und angesichts der Inflation aus der Zeit gefallen. Aber dann sollte Hubertus Heil das klar sagen und die Kommission gleich abschaffen. Auch der – richtige – 12-Euro-Mindestlohn wurde bereits an der Kommission vorbei per Gesetz beschlossen. Doch ein eigentlich unabhängiges Gremium via Medien unter Druck zu setzen und ihm zwecks eigener Profilierung in den Rücken zu fallen, ist ziemlich schlechter Stil.
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