Minarett-Debatte in Deutschland: "Eine Gefahr für die Demokratie"
Der Interkulturelle Rat fürchtet, dass es in Deutschland ähnliche Mehrheiten wie in der Schweiz gibt – und fordert eine zivilgesellschaftliche Debatte.
Ein "Verstoß gegen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit" sei das Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung gegen den Bau von Minaretten, meint der Vorsitzende des Interkulturellen Rates in Deutschland, Jürgen Micksch. Das Deutsche Islamforum im Rat kam am Donnerstag zu einer eilig einberufenen Sondersitzung zusammen und befand: Das Ergebnis der Abstimmung sei "antimuslimischer Rassismus" und werde Auswirkungen auf ganz Europa haben.
Dies dürfe nicht "verharmlost werden", so Micksch weiter. Besonders "schwerwiegend" sei, dass Kirchen und zahlreiche weltliche Organisationen sich gegen das Bauverbot ausgesprochen hätten, dies aber "nicht in der Zivilgesellschaft" angekommen sei.
Die Abstimmung sei die Bestätigung für viele Warnungen vor einer "tiefsitzenden Ablehnung" der Muslime, vor allem da, wo sie durch Moscheebauten oder Kleidung "öffentlich werden". Das sei wahrscheinlich in Deutschland auch nicht anders als in der Schweiz. Wo Minderheiten zu Sündenböcken gemacht und Menschenrechte verletzt würden, bestehe "Gefahr für Verfassung und Demokratie". Notwendig sei eine öffentliche Debatte.
Hans-Peter Ernst vom Zürcher Lehrhaus, der mit seiner Initiative vergeblich gegen den Volksentscheid gekämpft hatte, zog ein resigniertes Fazit. In der Schweiz sei "eine Scheindebatte" geführt worden, der auch die Gegner aufgesessen seien.
Die Befürworter hätten vor allem damit argumentiert, dass der Islam Frauen unterdrücke und christliche Kirchen untersage. Sie seien also vermeintlich für Frauenrechte und Glaubensfreiheit eingetreten, hätten sich in Wirklichkeit aber gerade gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit gewandt.
Es seien "in einer sehr einfachen Sprache" irreale Ängste geschürt worden, denn in der ganzen Schweiz gebe es bisher nur vier Minarette. Auch Burka-Trägerinnen tauchten in der Schweiz lediglich "als Top-Kundinnen" in den Zürcher Nobelgeschäften auf.
Für den Koordinationsrat der Muslime in Deutschland betonte Sprecher Bekir Alboga, dass der Verband "sehr geschockt" und sprachlos" gewesen sei: "Für uns ist das Rassismus pur!" Die Mehrheit der Muslime bekenne sich zum Grundgesetz.
Er rief dazu auf, jede Form von Fundamentalismus, Extremismus und Rassismus zu bekämpfen. Als ein mögliches Diskussionsforum, so der Interkulturelle Rat, sollten die Internationalen Wochen gegen Rassismus im März 2010 genutzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen