Millionär tötet jugendlichen Räuber: Schuss in den Rücken
Ein Sittenser Millionär erschießt einen jugendlichen Räuber, der mit seinen bewaffneten Komplizen den 77-Jährigen in dessen Garten überfallen hat. Die Ermittler prüfen nun, ob es Notwehr war.
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Notwehr oder Totschlag? Seit der Millionär Ernst B. am Montagabend in Sittensen einen 16-jährigen Einbrecher in den Rücken geschossen und ihn dabei getötet hat, beschäftigt diese Frage Polizei und Staatsanwaltschaft. Nachdem der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft in Stade, Kai Thomas Breas, anfangs klar von Notwehr gesprochen hatte, äußert er sich zurückhaltender, seit sich die Komplizen am Mittwoch gestellt haben: "Wir gehen von gar nichts mehr aus."
Der 77-jährige Ex-Bestatter B. war auf seinem Grundstück in der 5.500-Einwohner-Gemeinde zwischen Bremen und Hamburg von fünf maskierten Personen attackiert worden, als er gerade zum Zwinger im Garten seiner Fachwerk-Villa ging. Die Angreifer, von denen einer eine Waffe in der Hand hatte, zerrten den Mann, der wegen einer Operation auf Krücken gehen musste, ins Haus zurück, raubten ihm die Geldbörse und durchsuchten die Räume der Villa. In der oberen Etage stießen die Räuber auf einen Tresor, den sie aufzubrechen versuchten. Dies löste den automatischen Alarm aus, woraufhin die Gang in Panik ausgebrochen sein soll, so schildert es jedenfalls Ernst B.
In dieser unübersichtlichen Situation ist es dem passionierten Jäger, der diverse Waffen besitzt, offensichtlich gelungen, eine Pistole zu ergreifen. Er schoss mehrmals und traf dabei den 16-jährigen Labinot S. aus einer Entfernung von zehn Metern in den Rücken. Das Geschoss bohrte sich ins Herz. Der 16-Jährige schleppte sich noch tödlich getroffen bis zur Terrasse, wo er zusammenbrach. Seine Komplizen flüchteten, in Panik ließen sie Maskierung und Waffe im Schnee des Gartens zurück. Mit dem Fluchtwagen, einem Alfa Romeo, bauten sie anschließend einen Unfall - der genaue Hergang ist noch nicht geklärt.
Als der Halter des Alfa Romeo am Tag nach dem Überfall ein demoliertes Fahrzeug zurückbekam und zugleich aus den Medien erfuhr, dass der erschossene Labinot S., der wegen diverser Eigentumsdelikte, Raubüberfälle und Körperverletzung als Intensivtäter geführt wird, aus Neumünster stammt, schöpfte er Verdacht. Er informierte die Polizei darüber, an wen er seinen Alfa Romeo verliehen hatte. Am Mittwoch stellten sich die vier Täter im Alter zwischen 22 und 24 Jahren im Beisein ihrer Anwälte der Polizei in Neumünster.
Was die Räuber zur den Ereignissen in der Sittenser Villa sagen, dazu möchte sich der Rotenburger Polizeisprecher Detlev Kaldinski nicht äußern. "Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen, da gibt es noch einiges zu tun." Auch der Stader Staatsanwaltschaftssprecher Breas ist wortkarg. "Dazu sagen wir aus ermittlungstaktischen Gründen nichts", so Breas zur taz. "Die Obduktion hat eindeutig ergeben, dass es ein Schuss in den Rücken war."
Dennoch könne nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um eine Notwehrsituation gehandelt habe. "Das ist eine sehr komplexe rechtliche Frage." So spiele eine Rolle, ob Ernst B. am Morgen vom gewaltsamen Tod des Unternehmers Gerd H. im nur 50 Kilometer entfernten Oldendorf erfahren habe, der bei einem Raubüberfall an seinem Knebel erstickte.
Wenn jemand aus "Furcht, Angst oder Verwirrung" schießt, bleibt auch eine rechtswidrige Notwehrhandlung meist straffrei. "Wir müssen bei Notwehr immer den Einzelfall betrachten, ob sich das Verhalten in den Grenzen der Notwehr bewegte", sagt Breas. "Das wird noch einige Zeit dauern."
Der 16-jährige Labinot S. wurde nicht mit einer Softair-Pistole erschossen, diese war vermutlich das Tatwerkzeug der Einbrecher. Wir bedauern den Fehler.
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