Milliardenprojekt am Kongo-Fluss: Staudamm fällt ins Wasser
Kongos Inga-III-Staudamm sollte Afrikas Energiewirtschaft revolutionieren. Jetzt steht das kontroverse Projekt auf der Kippe.
Die Inga-Fälle am Unterlauf des Kongo-Flusses liegen etwa 250 Kilometer westlich der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa. Dort stößt der gewaltige Fluss nach über 4.000 Kilometern Regenwald auf Gebirge, verliert sich in unzähligen Stromschnellen und wird dadurch besonders schnell. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es ein so großes Wasserkraftpotenzial.
In den 1960er und 1970er Jahren entstanden hier die Staudämme Inga I und Inga II. Sie versorgen über eine 2.500 Kilometer lange Hochspannungsleitung das Bergbaurevier Katanga im Süden des Kongo mit Strom. Die beiden Staudämme operieren heute nur noch zu einem Bruchteil ihrer ursprünglichen Kapazität von 1.775 Megawatt (MW).
Seit Langem ist ein größerer Staudamm im Gespräch: Inga III, mit 4.800 MW – so viel Strom würden etwa vier mittelgroße Atomkraftwerke in Europa erzeugen. Als Fernziel plant Kongos Regierung „Grand Inga“, eine Umleitung des gesamten Flusses, um mit 44.000 MW Strom halb Afrika zu versorgen. Derweil aber schafft Kongos Regierung es aber nicht einmal, die bestehenden Dämme zu sanieren, und hat auch schon mehrere Investoren vergrault.
Jacob Zumas Energiepartnerschaft
Im Oktober 2013 kam neues Leben in die Inga-Pläne. Südafrikas Präsident Jacob Zuma unterschrieb mit seinem kongolesischen Amtskollegen Joseph Kabila eine Energiepartnerschaft. Darin garantierte Südafrika die Abnahme von 2.500 MW aus Inga III ab 2021. Mit Südafrikas Abnahmegarantie konnte Kongo Inga III ausschreiben. Die Bauarbeiten sollten 2015 beginnen, der Strom ab 2021 fließen. Zur technischen Förderung des Projekts sagte die Weltbank im März 2014 73,1 Millionen US-Dollar zu.
Dann aber passierte nichts. Die australische Firma, die Umweltverträglichkeitsstudien durchführen sollte, zerstritt sich mit der Regierung. Die von der Weltbank als unpolitischer Ansprechpartner gewünschte Inga-Behörde wurde direkt Präsident Kabila untergeordnet. Auch Kongos staatliche Stromgesellschaft Snel bewarb sich um die Ausschreibung, entgegen den Richtlinien. Dafür tat sich Snel mit chinesischen Staatsfirmen zusammen, die den dortigen kontroversen Dreischluchtendamm gebaut haben.
Ausstiegsbegründung der Weltbank
Die Weltbank umschreibt all dies in ihrer Mitteilung vom Montag über die Suspendierung ihrer Finanzhilfen als „Entscheidung der kongolesischen Regierung, das Projekt in eine andere strategische Richtung zu tragen als die, die mit der Weltbank 2014 vereinbart wurde“.
Der Zeitplan kommt nun sehr ins Wanken. Noch dieses Jahr will Kongos Regierung entscheiden, wer den Zuschlag zum Bau von Inga III bekommt: die Chinesen – oder ein spanisches Konsortium, der einzige andere Bieter.
Es liegt im Interesse Kabilas, die Entscheidung hinauszuzögern. Denn solange die Spanier im Rennen sind, hält sich die EU mit Kritik an Kongos Regierung zurück, insbesondere im Vorlauf der umstrittenen Verlängerung von Präsident Kabilas Amtszeit über den eigentlichen Termin im Dezember hinaus.
90 Prozent der Kongolesen haben keinen Strom
Inga ist also heute eher ein politisches Druckmittel für Kongos Staat als eine reale Hoffnung für die Kongolesen. Von den 2.300 MW aus Inga III, die nicht nach Südafrika fließen sollen, waren 1.300 für Kongos Bergbauindustrie gedacht, 1.000 MW für die Verbraucher: 90 Prozent von Kongos 75 Millionen Einwohnern haben keinen Strom.
Der Ausstieg der Weltbank unterstreicht nun, wie unwahrscheinlich Inga III ist. Die Baukosten liegen offiziell bei 14 Milliarden US-Dollar. Das sind rund 40 Prozent des kongolesischen Bruttoinlandsprodukts – das kann das Land nur mithilfe von Geldgebern stemmen. Diese werden auf Einhaltung von Regeln pochen – der Damm soll ein Tal fluten, in dem Tausende Menschen leben. Die Bauzeit wird auf sechs Jahre geschätzt. Aber schon 2021 läuft Südafrikas Stromabnahmegarantie aus, womit die Wirtschaftlichkeit des Projekts hinfällig wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos