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Milliardenloch im Berliner HaushaltZu Lasten der Gesundheit

Andreas Hergeth
Kommentar von Andreas Hergeth

Berlin muss ab 2025 massiv sparen. Davon betroffene freie Träger im Gesundheitsbereich protestieren mit einem Positionspapier. Ein starkes Zeichen.

Auch die Berliner Telefonseelsorge hat das Protestpapier der freien Träger unterzeichnet (Symbolbild) Foto: dpa/Felix Hörhager

W enn sich rund 40 verschiedene Gesundheitseinrichtungen und Angebote freier Träger von der Alzheimer Gesellschaft bis zur Telefonseelsorge, von Diakonie bis Malteser, von Schwulenberatung bis Wildwasser, für ein Positionspapier zusammentun, muss es richtig dringend sein. Es geht, wie so oft, ums Geld. Ist doch jede Senatsverwaltung vom schwarz-roten Senat dazu aufgefordert, ab dem Jahr 2025 ganze 10 Prozent ihres Budgets einzusparen. Klar ist: Damit drohen Kürzungen in kulturellen, sozialen und eben auch gesundheitlichen Belangen.

Rund 40 Milliarden Euro Ausgaben umfasst der Landeshaushalt für 2025, den das Abgeordnetenhaus zusammen mit dem aktuellen Haushalt bereits im vergangenen Dezember beschlossen hat. Drei Milliarden davon sind auf der Einnahmeseite nicht gedeckt. Das ist kein Pappenstiel. „Wir befinden uns in der schwersten Haushaltskrise seit dem Bankenskandal“, hat Werner Graf, Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, jüngst eben dort gesagt.

„Ein gesundes Berlin braucht starke zivilgesellschaftliche Strukturen“ ist das Positionspapier der Gesundheitseinrichtungen, die im Bereich der „Chronischen Erkrankungen und besonderen gesundheitlichen Bedarfslagen“ agieren, überschrieben. Es handelt sich um Vereine und Organisationen, die im Auftrag des Landes (überlebens)wichtige Aufgaben übernehmen, zum Beispiel in den Bereichen psychosoziale Gesundheit, Seelsorgearbeit, chronisch somatische Erkrankungen, gesundheitliche Folgen von Gewalt sowie Versorgung von nicht krankenversicherten Menschen.

Dafür werden diese freien Träger – und viele weitere in anderen Gesundheitsbereichen wie Drogen und Sucht, Altenhilfe, Pflege und hospizliche Strukturen sowie HIV/AIDS – vom Senat bestellt und bezahlt. Das erfolgt im Rahmen des Integrierten Gesundheits- und Pflegeprogramms (IGPP) des Senats. Mit dem Positionspapier werden „eine verlässliche Finanzierung“ und der Abschluss eines neuen IGPP-Rahmenfördervertrages 2026 bis 2030 gefordert, die diese „unverzichtbaren Angebote“ absichern.

Bisher klappte die Finanzierung fast reibungslos

Die Protestnote wird unter anderem von der MUT-Traumahilfe für Männer* getragen, die taz hat das Projekt im Rahmen des Monats der Männergesundheit in diesem November vorgestellt. Das Angebot gibt es seit 2017, es richtet sich an Männer*, die sexualisierte Gewalt, Missbrauch oder Vergewaltigung erfahren haben. Die derzeitige Finanzierung reicht für 1,5 Stellen und damit für zwei Teilzeitmitarbeiter. Bisher klappte die Finanzierung so gut wie reibungslos.

Jedes Jahr erreicht die Beratungsstelle laut eigenen Angaben über 90 direkt betroffene Menschen von sexualisierter Gewalt in über 900 Beratungsgesprächen. Hinzu kommen Beratungen mit Partner*innen, Angehörigen, Fachkräften, Be­treue­r*in­nen und auch Schulungen für Teams. „Das Projekt fordert schon lange mehr Stellen“, sagt Lukas Weber vom Verein Hilfe für Jungs der taz. Ein dritter Mitarbeiter wäre mit Beratungsterminen schnell ausgelastet.

So, wie es derzeit aussieht, wird es dazu auch in nächster Zeit nicht kommen. Da ist erstens das Milliardendefizit des Landeshaushalts. Und zweitens der Umstand, dass der Senat darüber nachdenkt, ob innerhalb des IGPP gekürzt werden soll und zusätzlich die Dauer von fünf Jahren fester Finanzzusage festgeschrieben wird – oder aufs jährliche System umgestellt wird.

Die Sorgen sind groß

Das treibt die betroffenen rund 40 freien Träger um. Die Aussicht, sich wie zahlreiche Vereine und Projekte – auch im kulturellen oder sozialen Bereich – mit den Zusagen für eine weitere Förderung von Jahr zu Jahr zu hangeln, ist alles andere als rosig. Bislang war im IGPP die Finanzierung der freien Träger sicherer, da die Gelder im Haushalt für fünf Jahre festgeschrieben wurden.

Unmut macht sich breit angesichts der Überlegungen des Senats und drohender Kürzungen. Die Angst geht um, zumal sich das Prozedere zieht und zieht. Die Sorgen sind groß. Was müsste im nächsten Jahr nicht alles wegfallen, wenn 10 Prozent der Budgets fehlen?

In dem Positionspapier fordern die Vereine und Projekte deshalb zu Recht „die Sicherstellung des Menschenrechts auf körperliche und geistige Gesundheit für alle Ber­li­ne­r*in­nen durch verlässliche Gesundheitsangebote, abgesichert durch den Abschluss eines neuen Rahmenfördervertrages ab 2026“ – der dann eben wieder für fünf Jahre verbindlich ist.

Andernfalls drohen Einschnitte, auch tiefe. Durch die Kürzungen werden anteilige Sach- und Personalmittel, Beratungsstunden und Leistungen, im schlimmsten Fall ganze Angebote wegfallen. Das gilt es mit aller Macht zu verhindern.

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Andreas Hergeth
Redakteur & CvD taz.Berlin
In der DDR geboren, in Westmecklenburg aufgewachsen, Stahlschiffbauer (weil Familientradition) gelernt, 1992 nach Berlin gezogen, dort und in London Kulturwissenschaften studiert, 1995 erster Text für die taz, seit 2014 im Lokalteil Berlin als Chef vom Dienst und Redakteur für Kulturpolitik & Queeres.
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