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Milliardenkürzungen im LandeshaushaltLob fürs Sparen, Kritik am Weg dahin

Rechnungshofchefin Karin Klingen legt den Jahresbericht ihrer Behörde vor und äußert sich zu den Streichplänen des schwarz-roten Senats.

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin taz | Spätes Umsteuern, teils keine nachhaltigen Kürzungen, zweifelhafter Umgang mit sogenannten alternativen Finanzierungsformen: Landesrechnungshofspräsidentin Karin Klingen hat bei der Vorstellung ihres Jahresberichts gleich mehrfach Kritik an den jüngsten Kürzungsplänen der schwarz-roten Koalition geübt. CDU und SPD hatten ihren Weg, ein 3-Milliarden-Loch im Haushalt 2025 zu füllen, vor 10 Tagen vorgestellt. Am Dienstag machte der Senat daraus einen Entwurf für einen Nachtragshaushalt, den nun das Abgeordnetenhaus berät.

Der Rechnungshof stellt jährlich seinen Blick auf die Haushalts- und Wirtschaftsführung Berlins vor. Seine Rolle als Landesbehörde ist in Artikel 95 der Berliner Verfassung geregelt, der ihn als unabhängige Landesbehörde beschreibt und seinen Mitgliedern richterliche Unabhängigkeit zuweist.

Präsidentin Klingen, die die Behörde seit 2018 leitet, gestand dem Senat am Donnerstag vor Journalisten zwar angesichts von 3 Milliarden eine „außergewöhnliche Konsolidierung“ zu. „Eine Korrektur des überdimensionierten Haushaltsvolumen war dringend notwendig“, sagte sie. Kritisch sehe man jedoch, „dass der Senat erst so spät umgesteuert hat“. Klingen bezeichnete das Verfahren zur Aufstellung des Nachtragshaushalts zudem als intransparent. „Lange Zeit war nicht klar, wo gespart werden würde.“ Das habe „zu einer hohen Belastung der Verwaltung und der Bürgerinnen und Bürger geführt“. Aus ihrer Sicht wäre es besser gewesen, schon vor dem Haushaltsbeschluss im Dezember 2023 Prioritäten zu setzen.

Skeptisch zeigte sich Klingen auch gegenüber dem Plan der Koalition, sich mit neuen Finanzierungsinstrumenten zu behelfen. Führende Köpfe von CDU und SPD verwendeten in den vergangenen Wochen den Begriff „alternative Finanzierungsformen“ fast schon inflationär. Dahinter stehen neue Kredite für landeseigene Unternehmen, die mit bestimmter Begründung trotz Schuldenbremse erlaubt sein sollen. Klingen erinnerte daran, dass solche Ausnahmen nur erlaubt seien, „wenn für das Land ein entsprechender Gegenwert entsteht“.

Keine Bewertung der Prioritätensetzung

Nicht beurteilen mochte Klingen, ob es nicht sinniger wäre, sich von Gratisangeboten wie Schülerticket oder Schulessen auch für Begüterte zu verabschieden, statt teils kleinteilig bei Kultur- und Sozialprojekten zu kürzen. Dort drohen möglicherweise drastische Folgen gerade für Kinder und Jugendliche. „Aufgabe des Rechnungshofs ist es nicht, die politische Prioritätensetzung zu bewerten“, sagte Klingen. Man werde sich aber angucken, ob die Umsetzung der Beschlüsse unnötige wirtschaftliche Folgen habe.

Für den Rechnungshof ist auch nicht alles strukturell, was CDU und SPD streichen wollen – die Entscheidung fällt erst bei der Abstimmung des Abgeordnetenhauses darüber und ist für den 19. Dezember vorgesehen. Klingen erwähnte beispielhaft verschobene Ausgaben für die Digitalisierung.

Jenseits dieser Kritikpunkte bestärkte Klingen den Senat in seinem Ziel, die Sanierung des Landeshaushalts fortzusetzen. Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hatte tags zuvor im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses nochmals angekündigt, dass 2026 weitere 2 Milliarden Euro einzusparen seien.

Unabhängig von der aktuellen Haushaltsdiskussion kritisierte der Rechnungshof am Donnerstag auch die Vorstandsgehälter bei fünf großen landeseigenen Unternehmen, darunter die BSR, die BVG und die Wasserbetriebe. Die Bezüge überträfen die von Regierungsmitgliedern und seien nicht plausibel. Sie enthielten zudem variable Anteile, „die den vom Senat gestellten Anforderungen nicht gerecht werden“. Bei den Bezügen der 5 geprüften Unternehmen ließen sich jährlich 2,1 Millionen Euro einsparen.

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