Milliardeneinbußen durch Tarifflucht: Die Ampel muss handeln
130 Milliarden Euro sparen Arbeitgeber, weil sie sich nicht an Tarifverträge halten. Das Geld fehlt nicht nur den Arbeitnehmern, sondern auch dem Staat.
T arifflucht ist teuer. Und zwar nicht nur für die Beschäftigten. Auch dem Staat entgehen Unsummen, weil Angestellte weniger verdienen und folglich weniger Steuern zahlen, wenn Arbeitgeber sich nicht an Tarifverträge halten. 27 Milliarden Euro jährlich sind es nach Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die Bund, Länder und Kommunen deswegen weniger einnehmen. Das sind 27 Milliarden gute Gründe für die Ampelkoalition, endlich etwas gegen die Tarifflucht zu unternehmen.
Mit den zusätzlichen Steuereinnahmen würden sicherlich auch die Sitzungen der Ampelkoalition weitaus entspannter verlaufen. Ein Dauerthema ist dort nämlich, dass es zu wenige Mittel für viel zu viele Aufgaben gibt. Gleichzeitig wehrt sich die FDP beharrlich sowohl gegen Steuererhöhungen als auch gegen eine Reform der Schuldenbremse, wie sie derzeit SPD und Grüne wieder lauter fordern. Mehr Einnahmen infolge einer höheren Tarifbindung würden der Ampelkoalition unter diesen Umständen mehr finanziellen Spielraum geben.
Auch anderweitig würde der Staat mittelbar durch mehr Tarifbindung profitieren. Denn insgesamt müssten Arbeitgeber rund 130 Milliarden Euro mehr für ihre Beschäftigten aufwenden. Neben den direkten Steuereinnahmen steigen so auch die Abgaben für die Sozialversicherungen. Laut DGB würden davon rund 43 Milliarden Euro in die Finanzierung von Renten, Gesundheitssystem und Co fließen. Und last, but not least hätten die Beschäftigten jährlich 60 Milliarden Euro mehr in der Tasche. Wenn sie die teilweise wieder ausgeben, kommen dabei anfallende Verbrauchsteuern wiederum der Staatskasse zugute.
Die Ampel muss also nur handeln. Zumal die EU sie mit der Mindestlohnrichtlinie eh verpflichtet, etwas zur Stärkung der Tarifbindung zu unternehmen. Am Anfang ihrer Regierungszeit waren SPD, Grüne und FDP da auch überraschend aktiv und versprachen in ihrem Koalitionsvertrag Maßnahmen wie das Tariftreuegesetz. Doch zuletzt war es diesbezüglich auffällig still. Es ist Zeit, dass sich das wieder ändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers