Milliardäre und Angst vor Enteignung: Kein Neid, nirgends
Die BMW-Eigentümer*innen Klatten und Quandt erklären in einem Interview ihre Sicht auf Reichtum. Dabei bleiben viele Dinge unausgesprochen.
Stefan Quandt und Susanne Klatten gehören mit ihren Milliardenvermögen zu den reichsten Menschen Deutschlands. Die Geschwister sind Erben der Quandt-Familie, deren Finanzen und Namen über mehrere Generationen hinweg eng mit BMW verbunden sind. Tendenziell, wie viele in ähnlicher Position, die Öffentlichkeit eher meidend, gaben die beiden in dieser Woche ein langes gemeinsames Interview. Im Manager Magazin, einer Art Goldenes Blatt der Hochfinanz aus der Spiegel-Gruppe, hatten sie dabei Gelegenheit, von kritischen Nachfragen unbehelligt ihre Lebens- und Arbeitsphilosophie ausführlich darzulegen.
Anlass für das Gefälligkeitsgespräch war die Aufnahme der BMW-Erben in die „Hall of Fame“ der Zeitschrift, der tatsächliche Grund für die ungewohnte Öffentlichkeitsoffensive scheint aber ein gewisser Rechtfertigungsdruck zu sein. In Zeiten fröhlicher Enteignungsdebatten scheint auch im obersten Einkommenssegment ein Bewusstsein für die Legitimationslücke bei gewaltigen Erbschaften, astronomisch anmutenden Vermögenswerten und dynastischer Kontrolle über große Industrieunternehmen zu entstehen.
Die vom Juso-Rabauken Kevin Kühnert vor einiger Zeit ins Gespräch gebrachte mögliche Enteignung von BMW kommt zwar erst ganz am Ende des freundlichen Austauschs zwischen Klatten, Quandt und ihren Stichwortgebern vom Manager-Magazin zur Sprache, der Tenor aber wird gleich am Anfang klar: Reich zu sein bedeutet Verantwortung, Erben belastet, unternehmerisches Handeln ist gesellschaftliches Engagement. Flankiert wird solcherart ideologische Kapitalismuspolitur mit rührselig menschelnder Familienaufstellung.
Knallharte Kämpfe um Firmenübernahmen und wirtschaftliche Kontrolle werden so zu schicksalhaften Akten der persönlichen Selbstfindung. „Es war der Wunsch unseres Vaters, dass wir beide bei BMW engagiert bleiben, dem fühlen wir uns verpflichtet“, erklärt Klatten den ungebrochenen Zugriff der Geschwister auf das Unternehmen. Ihre rabiate Übernahme der Kontrolle über die mit VW umkämpfte Technologiefirma SGL Carbon betrachtet Klatten als „so etwas wie eine Diplomarbeit“. Wer kennt das nicht, einen Studienabschluss, der hunderte Millionen Euro verschlingt?
Wen was antreibt
„Für uns beide ist es sicherlich nicht das Geld, das uns antreibt“, sagt Quandt, etwas davon abzugeben scheint aber keine Priorität für die Geschwister zu sein. Denn: „Wir wissen, dass Umverteilung noch nie funktioniert hat.“ Selbst die Besteuerung von Erbschaften ist den beiden ein Greuel: „Ich frage mich immer, warum der Todeszeitpunkt ein Moment sein sollte, in dem der Staat auf bereits versteuertes Einkommen noch einmal zugreift.“
Und falls das nicht überzeugend genug ist, wird zur Sicherheit noch die nationalistische Karte gezogen, müssten Erben doch zur Bedienung der Steuerlast geerbte Aktien verkaufen. Dann „könnten plötzlich weite Teile von BMW den Chinesen oder arabischen Scheichs gehören“. Das wäre ja nicht zu auszumalen, und außerdem: Was hat dieser ausländische Scheich denn je geleistet, außer qua Geburt mit Reichtum überschüttet worden zu sein, nicht wahr.
Aber egal, die Front gegen fremde Mächte wird gehalten, auch wenn überall ganz undankbar „ein Maß an Misstrauen im gesellschaftlichen Raum“ mitschwingt, das „uns als Unternehmer beschäftigt“. Das schmerzt, denn „so wie die Diskussion geführt wird, ist sie sicher nicht gerecht“. „Hinzu kommt der Neid, ein gerade in Deutschland weitverbreiteter Wesenszug“.
Susanne Klatten ist sich sicher: „Viele Menschen denken, das fliegt einem irgendwie zu. Und manche glauben, dass wir ständig auf einer Jacht im Mittelmeer herumsitzen.“ Wirklich? Das denken viele? Aber selbst ein Boot müsste kein Grund für Neid sein, auch die Leitung internationaler Konzerne ist sicher nicht unbedingt der Berufswunsch aller. Die Menschen füllen die Rollen aus, für die sie geboren wurden und dass Geld allein nicht glücklich macht, ist nicht zufällig ein bekanntes Sprichwort.
Es geht nicht um Missgunst
Der Kernsatz des Gesprächs ist vielleicht wirklich die rhetorische Frage: „Wer würde denn mit uns tauschen wollen?“ Denn genau hier zeigt sich das wohl absichtsvolle Missverständnis der Enteignungsdebatte. Es geht nicht um individuelle Lebensumstände, es geht um die Verhältnisse, in denen sie entstehen. Kritik an einem System, das die Anhäufung riesiger Privatvermögen und deren dynastische Weitergabe ermöglicht als persönliche Missgunst zu denunzieren, ist aus Sicht der BMW-Erben vielleicht plausibel, als Argumentationsmuster aber so perdfide, wie durchschaubar – außer vielleicht für das Manager-Magazin.
Dessen Versuch, Demut und Bescheidenheit von Klatten und Quandt propagandistisch herauszustellen, statt ein spannendes konfrontatives und produktives Interview zu führen, wird gleich im Einstieg durch eine offensichtliche, fast peinliche, kleinbürgerliche Lust am Glamour konterkariert. „Wir treffen uns im ‚Business Club‘ der Münchener BMW Welt. […] Alles ist bestens präpariert im Boardroom, der Platz für 25 Leute bietet: Eine Kosmetikerin und eine Serviererin sind stand-by“.
Namen haben die Dienstboten keine; keine Familien, keine Zukunft, keine Geschichte. Journalist*innen, die deren Story hätten recherchieren und erzählen können, waren leider nicht stand-by.
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