Medienpreis und NS-Aufarbeitung: Im Namen des Herrn Quandt

Jedes Jahr nehmen Journalisten einen Preis mit dem Namen eines NS-Unternehmers entgegen. Und (fast) niemanden stört das.

Porträtaufnahme Stefan Quandt

Sohn Stefan Quandt sieht keine Notwendigkeit, den Medien-Preis umzubenennen Foto: dpa

Ende des Monats wird wieder der Herbert-Quandt-Medienpreis verliehen. Wie jedes Jahr seit vielen Jahren – dabei gab es mal eine Zeit, da war die Kritik an dem Preis und seinem Namensgeber groß. Mitglieder der Jury traten aus, der Spiegel entschied sich, das Preisgeld lieber zu spenden. Weil der mit insgesamt 50.000 € dotierte Preis den Namen eines Unternehmers trägt, der für den Tod hunderter Zwangsarbeiter in der NS-Zeit mitveranwortlich ist. Das war vor gut zehn Jahren – zwischendurch ist alles wieder so geworden, als wäre nichts geschehen.

Den Herbert-Quandt-Medienpreis gibt es seit 1986. Zu den Preisträgern zählten bekannte Journalisten so gut wie aller großen Medien, darunter Bild, FAZ, Spiegel, SZ, Welt, Zeit und die meisten öffentlich-rechtlichen Sender.

Namensgeber ist Herbert Quandt, der heute vielen als „BMW-Retter“ gilt, weil er den Automobilkonzern in den 60er Jahren erfolgreich sanierte, anstatt ihn aufkaufen zu lassen. Im Nationalsozialismus allerdings beschäftigte Quandt als Personalchef in der Akkumulatorenfabrik AG, einer Vorgängerfirma der späteren Varta, tausende KZ-Häftlinge für die Batterieproduktion in Hannover-Stöcken.

Über 400 dieser Zwangsarbeiter starben in dem firmeneigenen, zusammen mit der SS betriebenen Konzentrationslager, viele an Bleivergiftung. Herbert Quandt war für die katastrophale Ernährung und Ausrüstung der Zwangsarbeiter direkt verantwortlich. Seine Firma kalkulierte gegenüber der SS mit einer monatlichen „Fluktuation“, somit der Arbeitsunfähigkeit oder dem Tod, von 80 Zwangsarbeitern.

KZ-Häftlinge berichteten

Aufbereitet wurde all das schon im Jahr 2007 in der ARD-Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“. Hier konnten ehemalige KZ-Häftlinge erstmals einer größeren Öffentlichkeit von ihren Arbeitsbedingungen in Hannover-Stöcken berichten. Von Arbeitstagen von 12 Stunden täglich ohne jeden Arbeitsschutz mit tödlichen Stoffen wie Blei und vom Tod ihrer Mitgefangenen, den sie miterleben mussten.

Noch zum Kriegsende entwarf Herbert Quandt persönlich neue Pläne für ein weiteres KZ-Außenlager. Und dennoch gibt es weiterhin einen Journalistenpreis, der jährlich „im Gedenken an die Persönlichkeit und das Lebenswerk“ Quandts verliehen wird. So steht es auf der Seite der Stiftung.

Und das obwohl sich schon 2008 der damalige Spiegel-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron aus dem Kuratorium zurückgezogen hat. 2009 hatte der Spiegel das Preisgeld sogar lieber gespendet als es zu behalten. In der Zwischenzeit jedoch haben Journalisten des Magazins den Preis wieder angenommen, zum Beispiel im Jahr 2017 für eine Industriereportage.

Die Familie Quandt selbst hat sich nach der ARD-Doku mit der Vergangenheit Herbert Quandts auseinandergesetzt: Die Familie beauftragte eine Studie bei dem Bonner Historiker Joachim Scholtyseck, welcher die erhobenen Vorwürfe im Jahr 2011 bestätigte. Herbert Quandts Sohn und BMW-Erbe Stefan Quandt nannte die Studie im Interview mit der Zeit damals „schmerzhaft“ – sah aber keine Notwendigkeit, den Medien-Preis umzubenennen oder einzustellen: „Wenn man sein Lebenswerk sieht, denke ich nach wie vor, dass man zu einem Gesamtbild kommt, das es rechtfertigt, einen Herbert Quandt Medien-Preis zu verleihen.“ Auf erneute Anfrage durch die taz in diesem Jahr verweist die Stiftung nur auf die Studie. Derweil wird Herbert Quandt auf der Webseite der Stiftung nach wie vor unkritisch als Unternehmer dargestellt, dem es um die „Verantwortung für die Gemeinschaft“ gegangen sei.

Unkritische Preisträger

In diesem Jahr geht der Preis an Journalisten von Capital, Handelsblatt, Wirtschaftswoche und an einen vom WDR koproduzierten Dokumentarfilm. Die taz hat die Preisträger angefragt. Die Verlagsgruppe Handelsblatt, die mit Wirtschaftswoche und dem Handelsblatt Magazin gleich zweifach vertreten ist, sieht den Preis als gelebte Erinnerungskultur: „Wenn die Auszeichnung darüber hinaus ‚im Gedenken an die Persönlichkeit und das Lebenswerk des Unternehmers‘ Herbert Quandt vergeben wird, sehen wir Nachgeborenen das zugleich als Pflicht, nicht nur seine unternehmerischen Erfolge in der Nachkriegszeit, sondern zugleich die dunkelsten Kapitel seiner Vita mitzudenken. Auch diese Art stetiger Erinnerungsarbeit fördert der Preis letztlich.“

Capital, deren Chefredakteur Chefredakteur Horst von Buttlar zugleich Mitglied in der Jury für den Preis ist, antwortete nicht auf unsere Anfrage. Der WDR, als Koproduzent der ausgezeichneten Doku „The Cleaners“, verweist auf die „Aufarbeitung“ der Geschichte durch die Familie Quandt. „The Cleaners“ beschäftigt sich ausgerechnet mit fragwürdigen Arbeitsbedingungen im Bereich Content Moderation auf den Philippinen.

Die Autoren der Doku hingegen, Filmemacher Hans Block und Moritz Riesewieck, antworteten: „Der Erhalt des Namens – Herbert Quandt - im Titel des Medienpreises ist für uns mehr als zweifelhaft. Wir hoffen, dass sich die Johanna-Quandt-Stiftung bald für eine andere Namensgebung entscheidet und werden das der Stiftung auch explizit nahelegen.“

Trotzdem wolle man den Preis nicht ablehnen, da mit dem Preisgeld von 20.000 € weitere Filme produziert werden könnten. Für Dokumentarfilmer ist es häufig schwierig, für aufwändige Projekte eine Vorabfinanzierung zu erhalten. Preise, sofern sie wie der Quandt-Preis mit einem Preisgeld dotiert sind, spielen dabei eine wichtige Rolle. Und so finden die 50.000 Euro aus zweifelhafter Hand auch dieses Jahr wieder ihre Abnehmer. Am 22. Juni ist es soweit, wie jedes Jahr zum Geburtstag des Herbert Quandt.

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