Militärübergriffe in Mexiko: Vertuschung eines Massakers
Mindestens 15 mutmaßliche Gangmitglieder, die sich bereits ergaben, wurden im Juni von Soldaten ermordet. Die Ermittler verwischten die Spuren.
BERLIN taz | Mexikanische Soldaten haben im Juni dieses Jahres 15 Menschen kaltblütig hingerichtet. Um die Exekution zu verschleiern, fälschten Ermittler Dokumente, und Armeeangehörige manipulierten den Tatort.
Zu diesem Schluss kam jetzt die Nationale Menschenrechtskommission (CNDH) des Landes. Behördenleiter Raúl Plascencia sprach am Dienstag in Mexiko-Stadt von einer der „schlimmsten Menschenrechtsverletzungen, die das mexikanische Militär verübt hat“. Präsident Enrique Peña Nieto, der bereits wegen des Verschwindens von 43 Studenten im September in der Stadt Iguala international in der Kritik steht, gerät angesichts der Vorwürfe noch mehr unter Druck.
Am 30. Juni starben beim Angriff einer Militärpatrouille auf mutmaßliche Mafia-Mitglieder in der Gemeinde Tlatlaya im Bundesstaat Mexiko 22 Personen, unter ihnen drei Jugendliche. Die Soldaten hatten behauptet, sie seien beschossen worden und hätten nur das Feuer erwidert. Alle Kriminellen seien bei dem Schusswechsel gestorben.
Doch diese Version stand schnell im Zweifel, da nur ein Polizist verletzt und am Tatort kein Hinweis auf intensive bewaffnete Kämpfe gefunden wurde. Am 18. September veröffentlichte das US-Magazin Esquire ein Interview mit einer Augenzeugin. Demnach hätten sich die meisten Personen ergeben. Die Opfer hätten sich in einer Reihe aufstellen müssen und seien erschossen worden, berichtete die Zeugin, die mitansehen musste, wie ihre Tochter getötet wurde.
Leichen bewegt, Waffen auf tote Körper gelegt
Nach CNDH-Informationen seien drei Frauen von den Armeeangehörigen gefoltert worden. Zudem habe man ihnen mit Vergewaltigung gedroht. Insgesamt seien 15 der 22 mutmaßlichen Bandenmitglieder gezielt hingerichtet worden, erklärte Ombudsmann Placencia.
Obwohl unmittelbar nach dem Vorfall Widersprüche auftraten, reagierte die Bundesregierung erst, nachdem das Esquire-Interview erschienen war und international Empörung hervorgerufen hatte. Drei Soldaten wurden im Oktober verhaftet.
CNDH-Chef Placencia geht aber davon aus, dass mindestens sechs Militärs beteiligt gewesen seien, unter ihnen ein ranghoher Offizier. Zwei Frauen, die das Massaker überlebt hatten, müssten sofort aus dem Gefängnis entlassen werden. Den Streitkräften warf er vor, den Tatort manipuliert zu haben. Einige Leichen seien bewegt und Waffen auf tote Körper gelegt worden.
Auch Autopsieberichte wurden nach seinen Angaben von Ermittlern gefälscht. Gleich nach dem Massaker hatte sich die Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates hinter die Soldaten gestellt und ausgeschlossen, dass jemand auf kurze Distanz erschossen worden sei.
Angesichts der Massaker in Iguala und dem nur etwa 100 Kilometer entfernten Tlatlaya forderte der Präsident der Interamerikanischen Menschenrechtskommission Emilio Alvarez Icaza eine grundlegende Revision von Peña Nietos Politik.
Der Versuch des Präsidenten, die internationale Aufmerksamkeit vom Scheitern der Sicherheitspolitik abzulenken, sei nun gescheitert, ergänzte die Washington Post. Die CNDH hat letztes Jahr 811 Anzeigen wegen Menschenrechtsverletzungen durch Soldaten erhalten, bei 40 Prozent handelte es sich um Vorwürfe außergerichtlicher Hinrichtungen.
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