Militärische Altlasten in Oldenburg: Sondermüll am Schießstand vergraben
Nach dem Korruptionsverdacht bei der Sanierung eines Fliegerhorstes gibt es neue Vorwürfe. Es soll zu Verstößen gegen den Umweltschutz gekommen sein.
Tatsächlich steht massiv Ärger ins Haus, allerdings nicht mit dem Polier, sondern eher für den „Fachdienst Projekt Fliegerhorst“ der Oldenburger Stadtverwaltung. Gegen einen Mitarbeiter der Abteilung ermittelt seit November die Osnabrücker Staatsanwaltschaft wegen Korruptionsverdachts, außerdem soll ein externer Sachverständiger doppelt kassiert haben – bei Auftraggeber und Auftragnehmer.
Jetzt kommt der Verdacht auf gravierende Verstöße gegen den Umweltschutz hinzu. Dabei geht es nicht nur um Asbest, sondern auch um sogenannte PAK, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und mit Treibstoff verseuchten Boden.
Sei etwa sieben Jahren saniert die Stadt Oldenburg den ehemaligen Fliegerhorst im nördlichen Stadtgebiet. Fast 55 Jahre lang waren dort Kampfflugzeuge stationiert. Das Areal muss frei von militärischen Altlasten sein, bevor die Flächen als Bauland verkauft werden können. Mehr als 3.000 Menschen sollen hier einmal leben.
Illegal verbuddelt
Das Gelände wird deshalb Schritt für Schritt abgegraben, gesiebt und danach wieder verfüllt. Es sind lukrative Aufträge für Kampfmittelräumer und spezialisierte Firmen, die sich um den Abbruch der Hallen, Hangars und Unterkünfte kümmern. Insgesamt hat die Sanierung bislang mehr als 40 Millionen Euro gekostet.
Beim Abbruch der militärischen Liegenschaften erleben die Firmen manchmal Überraschungen. So förderten die Abrissbagger nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters des beauftragten Unternehmens unvermittelt Betonplatten und Ziegel zu Tage, die im Bereich der Kellerwände mit einer dicken Schicht Teer verklebt waren. Teer enthält PAK, die als krebserregend gelten, und muss als Sonderabfall entsorgt werden.
Deshalb wurde der Bauschutt zunächst auf der ehemaligen Flugzeugabstellfläche des Fliegerhorsts zwischengelagert. Laut Angaben des Mitarbeiters habe sich herausgestellt, dass der Teer zwar vom Beton zu trennen war, nicht aber von den Ziegelsteinen. Insgesamt habe es sich um 15.000 Tonnen belasteten Schutt gehandelt. Das war bei Auftragsvergabe natürlich nicht einkalkuliert. Und nun stellte sich die Frage, wohin damit?
Nach Aussagen des ehemaligen Mitarbeiters der Baufirma soll er vom „Fachdienst Projekt Fliegerhorst“ die Anweisung bekommen haben, das PAK-belastete Material an dem früheren Schießstand auf dem Kasernengelände einfach zu vergraben. Das ist illegal. Weil in dem Bereich keine Aushub- und Bauarbeiten mehr stattfinden sollten, spiele es keine Rolle mehr, ob das eingebrachte Material belastet ist, sei ihm von Mitarbeitern der Stadt Oldenburg gesagt worden.
Gras drüber
Also rollte schweres Gerät an und transportierte Berge an kontaminiertem Schutt an den südlichen Rand des Areals. Und weil es scheinbar nicht mehr darauf ankam, kippte man offensichtlich auch gleich mit Asbest und Treibstoff verseuchte Erde dazu, noch mal rund 4.500 Tonnen. Die Großtransporte sorgten für so viel Aufsehen, dass sich Spaziergänger und Radfahrer hinter der nahen Umzäunung fragten, was dort eigentlich passiert.
Als der alte Schießstand zwischen den Schutzwällen schließlich meterhoch verfüllt war, soll das städtische Gartenbauamt angewiesen worden sein, dort zu planieren und Gras einzusäen.
Auf die Frage, ob die Stadt Oldenburg wisse, dass auf der Fläche des ehemaligen Schießstandes belastetes Material vergraben worden ist, antwortet ein Sprecher mit einem kurzen und klaren „Nein“. Er behauptet außerdem, der „Fachdienst Projekt Fliegerhorst“ habe keine Anweisungen zum Vergraben gegeben und es lägen alle erforderlichen Entsorgungsnachweise vor.
Allerdings konnte die taz ein Schreiben an die Stadt einsehen, in der die illegalen Vorgänge detailliert beschrieben werden. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück teilte dazu mit, die zuständige Umweltbehörde der Stadt Oldenburg habe offenbar noch keine Bodenuntersuchungen veranlasst.
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