Migrationsexperte zum EU-Asylpakt: „Leider nichts Neues“
Mit Flüchtlingslagern an den EU-Außengrenzen, wie es jetzt geplant ist, könne sich das Desaster von Moria wiederholen, sagt der Migrationsexperte Manos Moschopoulos.
taz: Herr Moschopoulos, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Vorschläge für eine Asylreform heute einen „Neustart“ genannt. Wie frisch sind die Pläne aus Ihrer Sicht?
Manos Moschopoulos: Unglücklicherweise fürchte ich, sie sind überhaupt nicht neu. Wir sehen eine Menge Elemente, die im bisherigen Asylsystem der Europäischen Union in der Praxis bereits gescheitert sind, besonders das Beharren auf Situationen wie in Moria, auf Grenzanlagen und -prozeduren, die eigentlich anständige Aufnahmebedingungen mit rechtsstaatlichen Asylverfahren kombinieren sollten.
Es scheint so, als sei der einzig neue Aspekt, einen Kompromiss geschaffen zu haben mit Ländern, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Dieser gibt Forderungen von Regierungen wie der von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán in Bezug auf Solidarität oder den Rechten von Migranten nach.
Auf Lesbos soll nach den Plänen der EU-Kommission ein „Pilotprojekt“ eines neuen Lagers entstehen. Fürchten Sie, dass dort dieselbe Lage entsteht wie zuvor?
35, leitet die Abteilung für den Schutz und die Rechte von Migrant*innen bei den Open Society Foundations
Absolut. Die Situation in Moria entstand nicht durch fehlendes Management der Lager. Das Problem ist die grundlegende Annahme dahinter: dass Griechenland, oder auch ein anderes Land, die Gesuche von in Europa Asylsuchenden angemessen bearbeiten kann – auf einer Insel, in einem Camp wie Moria.
Solange die grundlegende Annahme hinter dem Asylsystem ist, dass Menschen an der Grenze überprüft werden müssen, weil die EU sie so angeblich schnell zurückführen kann, landen wir bei einem neuen Moria. Es scheint unwahrscheinlich, dass solche Zentren so betrieben werden können, dass sie nicht komplett überfüllt sind.
Wie wird der Vorschlag bei Griechenlands Bevölkerung ankommen?
In Griechenland, auf Lesbos zum Beispiel, gibt es jetzt schon eine lokale Bevölkerung, die sehr frustriert davon ist, dass ihr versprochen wurde, dass es sich nur um eine Notfallsituation handelt. Der Vorschlag der EU-Kommission zeigt den Menschen von Lesbos, dass es aber genau so weitergehen wird. Das verschafft Menschen, die hasserfüllte nationalistische Botschaften verbreiten wollen, einen fruchtbaren Boden.
Generell denke ich, dass der Vorschlag Griechenland keinerlei Garantie gibt, nicht doch allein damit gelassen zu werden, die Asylgesuche ankommender Menschen zu bearbeiten. Außerdem beantwortet der Pakt die Frage nicht: Was passiert mit den Abertausenden Menschen, die jetzt schon in Griechenland gestrandet sind?
Und die Reaktion der konservativen griechischen Regierung?
Wie die Dinge im Moment aussehen, scheint die griechische Regierung zumindest die Vorschläge der Kommission der gemeinsam gemanagten Einrichtungen willkommen zu heißen. Die Regierung hat schon immer eine Rhetorik genutzt, die sehr kritisch gegen Flüchtlinge war, und versprochen, ich zitiere, „das Problem zu lösen“.
Durch riesige Internierungslager für Asylbewerber auf den Inseln und dadurch, die Anzahl der Ankommenden auf null zu setzen. Der Weg, Letzteres zu erreichen, hat viel Kritik auf sich gezogen, wegen der vielen Berichte über die Menschenrechtsverletzungen und die illegalen Praktiken des Pushbacks in die Türkei.
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