Migration in die EU: EU-Gipfel mit Rechtsruck
In Brüssel forderten die Staats- und Regierungschefs neue Regeln zur Abschiebung von Migranten. Mehr Lager und illegale Pushbacks sind zu befürchten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war dennoch zufrieden. Er sei überzeugt, „dass die irreguläre Migration zurückgehen muss“, sagt er nach dem Ende des Gipfels am Donnerstagabend in Brüssel. Zugleich müsse die EU aber „offen bleiben für die nötige Zuwanderung von Fachkräften“. Alle neuen Maßnahmen müssten sich auf dem Boden des europäischen und internationalen Rechts bewegen, betonte Scholz.
Grenzkontrollen, Pushbacks, Lager
Genau dies ist aber fragwürdig geworden. Zuerst hatte Deutschland wieder Kontrollen an allen Landgrenzen eingeführt, was kaum mit den Schengen-Regeln für Freizügigkeit in Europa vereinbar ist. Anfang dieser Woche hat Italien dann ein Abschiebezentrum in Albanien eröffnet, also außerhalb der EU. Polens Regierungschef Donald Tusk kündigte zudem an, das Asylrecht für Migranten aus Belarus vorübergehend aussetzen zu wollen.
Doch statt sich entschieden von diesen repressiven Maßnahmen abzusetzen, sprechen sich die EU-Chefs in ihrer Gipfelerklärung für „neue Wege“ aus, um „irreguläre Migration zu verhindern und abzuwehren.“ Dies lässt sich als Freibrief für weitere Abschiebelager außerhalb der EU lesen. „Außergewöhnliche Situationen verlangen angemessene Maßnahmen“, heißt es offenbar mit Blick auf die Lage an der Grenze zu Belarus.
Auf die Frage, ob Pushbacks erlaubt seien, wenn Migranten als Waffe eingesetzt würden, antwortete Scholz, alles müsse „im Rahmen des internationalen Rechts geschehen“. Man könne nicht darüber hinwegsehen, dass an den Grenzen zu Russland und Belarus „schlimme Dinge passieren“, so der SPD-Politiker. Deshalb brauche es „außerordentliche Anstrengungen“, „um sicherzustellen, dass dort nicht Migration missbraucht wird“.
Meloni gibt den Ton an
Der Gipfeltext trägt die Handschrift der Hardliner. Von Anfang an hatte Italiens rechtslastige Regierungschefin Giorgia Meloni den Ton angegeben. Sie lud zu einem Mini-Gipfel im italienischen Delegationsraum. Daran nahmen fast ein dutzend Staats- und Regierungschefs teil. Neben Italien waren u.a. Ungarn, die Niederlande, Österreich und Polen vertreten. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) stieß hinzu.
Demgegenüber fehlten Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron. Von ihnen geht bei EU-Gipfeln sonst oft die Initiative aus; diesmal wirkten sie eher wie Getriebene. „Der derzeitige Migrationsdruck zwingt uns, vereint zu bleiben“, sagte Macron. Er räumte allerdings auch ein, dass die Zahl der irregulären Grenzübertritte in die EU insgesamt abgenommen habe. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat für den Beginn dieses Jahres einen Rückgang um 42 Prozent gemeldet.
Rechtspopulisten wie Orbán und Wilders im Aufwind
Rechtspopulistische und nationalistische Politiker feierten die Wende rückwärts in der Migrationspolitik. „Immer mehr Länder erkennen an, dass es eine Migrationskrise gibt“, freute sich Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. „In Europa weht ein neuer Wind“, sagte der Chef der rechtspopulistischen Regierungspartei PVV in den Niederlanden, Geert Wilders. Er hatte zuvor einen Ausstieg aus der gemeinsamen Asylpolitik gefordert.
Am Rande des EU-Gipfels hatten die rechten „Patrioten für Europa“ ihr erstes Spitzentreffen in Brüssel abgehalten. Daran nahm auch Frankreichs Nationalistenführerin Marine Le Pen teil. Die „Patrioten“ stellen mit 84 Abgeordneten die drittgrößte Fraktion im Europaparlament – nach Konservativen und Sozialdemokraten, aber noch vor den Liberalen und Grünen. Auch im Rat, der Vertretung der EU-Länder, sind sie stärker geworden. Nun laufen ihnen selbst Politiker der Mitte hinterher.
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