Migrant*innen in Tunesien: Evakuiert aus Tunis nach Westafrika
Aufgrund der Verfolgung Schwarzer in Tunesien fliegen zahlreiche Regierungen ihre Landsleute aus. Seit Ende Februar eskaliert dort die Gewalt.
„Ich schlief noch, als ein Freund mich anrief, um mir zu sagen, ich solle das Haus nicht verlassen“, erzählte der Guineer nach seiner Evakuierung in sein Heimatland am 3. März. Überall in Tunesien würden Schwarze gejagt, erfuhr er. Am Tag nach der Präsidentenrede brachen die Nachbarn in das Haus ein, wo Barry als Untermieter lebte. Der Vermieter sagte, sie könnten wieder gehen, er selbst werde sich „kümmern“. Dann setzte er ihn in sein Auto und fuhr ihn 400 Kilometer nach Tunis zum guinesischen Konsulat. Damit rettete er Barrys Leben.
„Im meinem Stadtviertel wurden Schwarze gesucht, gejagt, angegriffen und ihre Wohnungen verwüstet“, erinnerte er sich, zurück in Guinea. Polizisten hätten mitgemacht. „Es genügte, dass sie einen Schwarzen sahen, auch wenn er bloß vor seiner Tür saß, um mit Steinen und Stöcken auf ihn loszugehen.“
Nach Guinea, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali und Senegal
Guinea war das erste Land, das verfolgte Landsleute aus Tunesien evakuierte. Außenminister Morissanda Kouyaté nahm ein Flugzeug nach Tunis und kam mit 49 Guineern in die guineische Hauptstadt Conakry zurück, wo sie von Militärherrscher Mamady Doumbouya persönlich empfangen wurden. Unter ihnen waren auch kleine Kinder. „Wir müssen Leben retten“, erklärte Guineas Regierung.
Ibrahima Barry aus Guinea
Andere Länder folgten: Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali, Senegal. Insgesamt sind mehrere Tausend Menschen aus Tunesien nach Hause gebracht worden. Allein die Elfenbeinküste hat bislang 1.053 Rückkehrer aufgenommen – von rund 7.000 Ivorern in Tunesien insgesamt. Der bislang letzte Flug landete am vergangenen Donnerstag.
Sie alle werden bei der Ankunft überprüft, polizeilich befragt und medizinisch untersucht, bevor sie in ein Transitzentrum kommen, jeweils umgerechnet 244 Euro bekommen und dann sehen müssen, wo sie bleiben. Viele haben alles verloren und nicht nur in der Elfenbeinküste scheuen sich Rückkehrer oft davor, zu ihren Familien zurückzugehen, wenn sie mit leeren Händen kommen.
Tunesiens Präsident hat mittlerweile behauptet, er habe sich nicht rassistisch geäußert, sondern bloß gemahnt, dass die Gesetze zu respektieren seien. Wer seine Worte anders verstehe, agiere „böswillig“, um „Tunesien zu schaden“, sagte er. Das war nicht wirklich hilfreich. „Man nennt Menschen nicht Horden“, empörte sich Louise Mushikiwabo, ehemalige Außenministerin Ruandas und Generalsekretärin der Internationalen Organisation der Frankophonie. Sie sei „schockiert“ und „empört“. Auch die Afrikanische Union (AU) äußerte sich kritisch. Es ist nun klar: Kein Land in Nordafrika heißt schwarze Migranten willkommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen