Migranten zelten vorm Jakobushaus: Letzter Ausweg Camping
Rumänen und Bulgaren haben in Deutschland selbst bei Obdachlosigkeit keinen Anspruch auf Sozialleistungen.
BREMEN taz | Gegenüber des Bremer Jakobushauses, Notunterkunft und Übergangswohnheim für wohnungslose Männer in Bremen, sind Zelte aufgebaut. Manchmal drei, machmal sechs. Dort leben, direkt am Bahndamm und versteckt unter Büschen, Männer aus Rumänien und Bulgarien.
Als EU-Bürger dürfen sie innerhalb Europas zwar reisen, wohin sie wollen, aber nur wenige Bulgaren und Rumänen dürfen hier arbeiten oder dauerhaft bleiben. Einige haben Arbeitsverträge mit Subunternehmern deutscher Firmen zu Stundenlöhnen von unter fünf Euro, und viele kommen ohne Arbeitserlaubnis.
Schlimmer als in ihren Heimatländern, wo sie bitterer Armut und oft auch Diskriminierungen ausgesetzt sind, kann es schließlich nicht werden. In Deutschland erwartet sie nicht selten die Obdachlosigkeit, denn ohne Arbeit haben sie keinAnrecht auf Sozialleistungen.
Bertold Reetz, Leiter der Wohnungslosenhilfe der Inneren Mission Bremen, kennt die „Jakobushaus-Camper“. „Was unser Innenminister über diese Menschen sagt, ist absoluter Quatsch“, sagt er. Damit meint er das von Hans-Peter Friedrich (CSU) kolportierte Bild von ArmutsmigrantInnen, die nur herkommen, um das Sozialsystem zu schröpfen: „Die Menschen wollen arbeiten und für ihr Leben aufkommen“, sagt Reetz. Bloß: Viele dürfen nicht, „und sie dürfen auch nicht dauerhaft im Jakobushaus unterkommen.“
Ein paar Nächte in der Notunterkunft sind zwar erlaubt, aber auf längerfristige Hilfen haben sie keinen Anspruch. Die zeltenden Männer kämen zum Essen, Duschen und Aufwärmen ins Haus, „aber im Winter geht das doch nicht, da wird es einfach zu kalt“, sagt Reetz. Im vergangenen Winter hat die Innere Mission vorgesorgt und den Tagestreff „Jakobustreff“ mit Isomatten und Schlafsäcken bestückt: „Hier durfte jeder übernachten, ohne sich registrieren lassen zu müssen.“
Ein wichtiger Aspekt, denn wer nach dreimonatigem Aufenthalt keinen Job oder den „Nachweis ausreichender Existenzmittel“ hat, der kann des Landes verwiesen werden. Allerdings: „Der Ansturm, mit dem wir gerechnet haben, ist ausgeblieben – vielleicht sind ja einige Menschen über den Winter nach Hause gefahren.“
Oder sie haben Unterschlupf bei Freunden gefunden – so wie diejenigen, die in Bremerhaven leben. Dort nämlich, sagen Sozialamtsleiterin Astrid Henriksen und die MitarbeiterInnen des „Beratungsbüros für EU-Zuwanderer“, sei nichts bekannt über obdachlose Rumänen oder Bulgaren:
„Viele leben zum Beispiel nach wie vor in den Sammelunterkünften ihrer ehemaligen Arbeitgeber“, sagt Elmar Welt, und seine Kollegin Ivanka Ivanova berichtet über den Zusammenhalt unter den Menschen: „Sie lassen Freunde und Bekannte, die kein Geld haben, bei sich wohnen.“ Man kenne sich in Bremerhaven und sei gut vernetzt: „In Bremen leben die Menschen vielleicht anonymer.“
Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus scheuen allerdings oft Beratungsstellen. „Deswegen“, sagt Astrid Henriksen, „haben wir das Büro auch nicht bei der Sozialbehörde angesiedelt, sondern bei der Arbeiterwohlfahrt.“ Dort arbeiten Muttersprachler, „um Menschen aus Osteuropa bei der Integration zu helfen“.
Eingerichtet wurde die Stelle, „nachdem immer mehr Menschen das Gesundheitsamt aufgesucht hatten, weil sie nicht wussten, ob und wie sie krankenversichert waren“. „Rückkehrhilfen“, so wie bei der Hamburger „Anlaufstelle für Osteuropäer“, gebe es dort nicht: „Wir wollen den Menschen bei ihrem Leben in Deutschland helfen“, sagt Welt, „nicht dabei, Deutschland zu verlassen.“
Ab Januar 2014 genießen Rumänen und Bulgaren volle Freizügigkeit innerhalb der EU – das heißt, jeder darf dann eine Arbeit aufnehmen. Dass der Zulauf dann ansteigen wird, „zeichnet sich zur Zeit nicht ab“, sagt Welt entgegen den Aussagen von Innenminister Friedrich, der erst vor Kurzem wieder „verstärkte Armutsmigration ins Hartz-IV-System“ prognostiziert hat.
„Auch ab Januar bekommt niemand einfach so Sozialleistungen“, sagt Reetz. In der Tat bekommt nur jemand, der in Deutschland drei Monate lang sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, Hilfe vom Staat. Wer also einen 450-Euro-Job oder gar keine Arbeit hat, der muss auch ab 2014 schauen, wo er bleibt – und sei es in einem Zelt vor dem Jakobushaus.
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