Mietwohnungen werden EIgentum: Boom der Umwandlung
Fast 20.000 Mietwohnungen wurden 2020 zu Eigentumswohnungen – viele in Milieuschutzgebieten. Nun soll Schluss damit sein.
Fast 18.000 der insgesamt umgewandelten Wohnungen liegen in Friedrichshain-Kreuzberg. Mit je etwa 14.000 Wohnungen folgen Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte. Wenig Profite durch einen Wohnungsverkauf erhoffen sich Eigentümer*innen in Spandau. Hier wurden lediglich 1.500 Wohnungen dem Mietwohnungsmarkt entzogen.
Milieuschutzgebiete, die das Ziel haben, die Bevölkerungsstruktur in einem Kiez zu erhalten, konnten dem Umwandlungsboom nichts anhaben. Innerhalb der sechs Jahre wurden hier 44.969 Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen. So lagen etwa in Pankow 8.500 der umgewandelten Wohnungen innerhalb von Gebieten mit einer sozialen Erhaltungssatzung und nur etwa 3.500 im übrigen Bezirksbereich. Fast alle dieser Umwandlungen mussten aufgrund eines bis zuletzt bestehenden Ausnahmegrundes genehmigt werden, wonach Eigentümer sich verpflichteten, eine Wohnung sieben Jahre lang nur an die derzeitigen Mieter*innen zu verkaufen.
Diese als Scheunentor benannte Ausnahmeregelung ist seit 6. August jedoch passé. An jenem Tag trat die neue Umwandlungsverordnung des Senats in Kraft. Bezirke müssen Umwandlungen nun nur noch dann zustimmen, wenn Vermieter*innen nachweisen können, dass mindestens zwei Drittel ihrer Mieter*innen ihre Wohnung selbst kaufen wollen. Dies gilt für ganz Berlin und nicht nur in ausgewiesenen Milieuschutzgebieten. Eine Ausnahme gibt es nur bei Häusern mit weniger als fünf Wohnungen. Möglich gewesen wäre auch eine Grenze ab drei Wohnungen, der Senat entschied sich jedoch für eine großzügigere Auslegung, um „Kleineigentümer zu schützen“.
Bezirke sollen Kontrolle durchsetzen
Nach Willen des Senats sollen die Bezirke die Umwandlungs- und möglichen Kaufabsichten hart kontrollieren. Statt Absichtsbekundungen sollen Eigentümer*innen „notariell beurkundete Erklärungen einer entsprechenden Anzahl von kaufwilligen Mietern“ vorlegen müssen. Angesichts einer marginalen Selbstkaufqoute durch die Mieter*innen von bislang 0,3 Prozent erwartet der Senat einen „starken Rückgang der Umwandlungsfälle“. Die Eigentumsquote ist in Berlin seit 2015 um 4,2 Prozent auf 34,2 Prozent gestiegen. 15,9 Prozent der Eigentümer*innen wohnen selbst in ihrer Privatwohnung.
Erst mit einer von der SPD auf Bundesebene durchgesetzten Novelle des Baugesetzbuches (Baulandmobilisierungsgesetz) in diesem Frühjahr konnte Berlin die nun gültige Umwandlungverordnung verabschieden. Vorschläge Berlins zur ersatzlosen Streichung des bisherigen Ausnahmetatbestandes zur Umwandlung waren zuvor vom Bund jahrelang abgelehnt worden.
Laut Gaby Gottwald habe die CDU „den starken Anstieg der Umwandlungen im letzten Jahr geradezu provoziert“. Von ihr selbst angekündigte Gesetzesänderungen seien wiederholt blockiert worden. Dies müssten die Mieter*innen nun „ausbaden“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen