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Mieterschutz in KreuzbergBezirk übernimmt Wasserrechnung

Der Besitzer der Platte am Hafenplatz bezahlt die Wasserrechnung nicht. Der Bezirk übernimmt, um Mieter zu schützen, und sieht „Entmietungsstrategie“.

Der Investor will die Plattenbauten am Hafenplatz in Kreuzberg abreißen und neu bauen Foto: Jürgen Ritter/Imago

Berlin taz | Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg übernimmt eine ausstehende Wasserrechnung der Eigentümergesellschaften am Hafenplatzkomplex im oberen sechsstelligen Bereich. Damit wolle man verhindern, dass hunderten Mietern sowie einer Geflüchtetenunterkunft mit etwa 600 Be­woh­ne­r*in­nen das Wasser abgestellt wird, teilte das Bezirksamt am Montagnachmittag mit.

Obwohl die Eigentümergesellschaften regelmäßige Wasserabschlagszahlungen von den Mietenden über die Mietnebenkosten erhalte, so der Bezirk, verwendeten sie diese augenscheinlich seit vielen Monaten nicht mehr, um die Kosten für die Wasserversorgung zu begleichen. „Möglicherweise handelt es sich um eine Entmietungsstrategie“, schreibt das Bezirksamt in seiner Mitteilung.

Mit dem Eigentümer der „Pyramide“ am Kreuzberger Hafenplatz gibt es schon länger Probleme. 2020 hatte die Immobilienfirma Hedera Bauwert mit ihrem Geschäftsführer Ioannis Moraitis den Komplex mit rund 400 Wohnungen gekauft. Seither mehren sich die Klagen der Be­woh­ne­r*in­nen über Verwahrlosung. Hedera will den Bau aus den 1970er Jahren abreißen und stattdessen einen „Kulturhafen“ mit 900 Wohnungen errichten. Der Bezirk sieht das inzwischen kritisch, Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) distanzierte sich im Sommer von Projekt und Investor.

Besitzer ist stadtbekannt

Denn zahlreiche Bauprojekte von Moraitis in der Stadt stocken, es gibt viele geschädigte Wohnungskäufer*innen, Baufirmen, Handwerker, Ingenieure. Schmidt warf dem Hedera-Geschäftsführer zudem vor, die Häuser am Hafenplatz vergammeln zu lassen und dies als „Druckmittel“ einzusetzen, damit die Bezirksverordnetenversammlung den hochtrabenden Plänen zustimmt.

Die nicht gezahlte Wasserrechnung passt in dieses Muster. Dass der Bezirk sie nun erst einmal übernimmt, hat pragmatische Gründe: Die Abstellung der Wasserversorgung würde zur Unbewohnbarkeit des gesamten Komplexes führen, und die Be­woh­ne­r*in­nen müssten in Notunterkünften untergebracht werden. Daher werde der Bezirk die fälligen Abschlagszahlungen ab November 2025 übernehmen, teilte er mit. Die Wasserbetriebe seien auf das Angebot Ende letzter Woche eingegangen.

Nun werde das Bezirksamt juristisch prüfen, auf welche Weise die Abschlagszahlungen, die von den Mie­te­r*in­nen ja tatsächlich geleistet würden, nicht mehr an die Eigentümergesellschaften, sondern direkt an die Wasserbetriebe überwiesen werden können, erklärte der Bezirk. Es dürfe dabei nicht zu Kündigungen wegen Mietrückständen kommen, die Teil der Strategie sein könnten, welche hinter dem Ausbleiben der Zahlungen an die Wasserbetriebe stehen könnte.

Schmidt sagte: „Das Bezirksamt sieht mit Empörung und Erschrecken auf diese Geschäftspraxis der Eigentümergesellschaften. Dieser konkrete Fall ist in seiner enormen Dimension zwar einzigartig, aber es gibt weitere Immobilien mit Eigentümer:innen, deren Vorgehen nur durch sehr personalintensive Verfahren begegnet werden kann.“

Doch der Bezirk könne wegen der Kürzungen des Senats und der wenigen dem Stadtentwicklungsamt zur Verfügung stehenden Personalkapazitäten solchen Machenschaften nur schwer Einhalt gebieten. „Ein Personalaufbau im notwendigen Umfang für einen schnellen und schlagkräftigen Mieterschutz bei 267.000 Ein­woh­ne­r:in­nen und einem frei drehenden Immobilien- und Mietenmarkt ist aufgrund der zu geringen Personalmittel nicht möglich.“

Dennoch werde das Bezirksamt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, die Mie­te­r*in­nen am Hafenplatz und anderswo zu unterstützen und vor Verdrängung und solchen Entmietungsstrategien zu schützen.

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