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Mieterschützer über Brand in Backnang„Beweise vernichtet“

Angehörige der Brandopfer aus Backnang wollen den Vermieter haftbar machen. Ihre Chancen sind gering, sagt Mieterschützer Claus Deese.

Das Feuer vernichtete alles. Menschenleben und Beweismittel. Bild: dpa
Interview von Julia Janczyk

taz: Herr Deese, die Polizei will an diesem Mittwoch endgültig über die Ursache der Brandkatastrophe mit acht Toten in Backnang informieren. Die Angehörigen der Opfer hatten dem Vermieter in der Zwischenzeit vorgeworfen, die elektrischen Leitungen im Haus seien marode gewesen. Sind Vermieter für Tragödien wie in Backnang haftbar zu machen?

Claus Deese: Das ist heikel. Vermieter sind in Deutschland nicht gezwungen, eine Wohnung technisch auf den neuesten Stand zu bringen – auch nicht, was den Feuerschutz angeht. Um den Vermieter im Falle eines Brandes haftbar machen zu können, müssen zwei Dinge nachgewiesen werden. Erstens: In der Wohnung gab es eine offenkundige Fehlinstallation. Zweitens: Der Vermieter wurde davon auch in Kenntnis gesetzt. Gerade bei Bränden ist das aber oft nicht mehr möglich.

Warum nicht?

Weil die Beweise in der Regel vernichtet sind. Wie wollen sie defekte Leitungen nachweisen, wenn alles verbrannt ist? Dies könnte nur durch einen Gutachter nachgewiesen werden. Wer hebt schon seine Briefe an den Vermieter feuersicher auf? Die Beweislast über den Zugang der Schadensmeldung liegt beim Mieter. Der Vermieter ist nicht verpflichtet, die Briefe oder E-Mails, die ihm Mieter gesendet haben, aufzubewahren beziehungsweise herauszugeben.

Was kann ich als Mieter tun, wenn ich merke, dass die Leitungen in meiner Wohnung defekt sind?

Als Mieter stehen Sie sogar in der Pflicht, den Vermieter über Mängel in der Wohnung umgehend zu informieren. Dieser muss dann laut Gesetz seiner Reparaturpflicht nachkommen. Am besten informieren Sie den Vermieter schriftlich und setzen eine Frist, innerhalb derer er die Mängel beheben soll. Wird diese Frist nicht eingehalten, haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder Sie machen eine Instandhaltungsklage beim Amtsgericht oder Sie beauftragen die Elektriker selbst. Wenn akute Gefahr besteht, sollten Sie dies sofort machen.

Wer trägt in diesem Fall die Kosten?

Mieterschutzbund
Im Interview: Claus Deese

ist Geschäftsführer des Mieterschutzbundes. Außerdem ist er im Vorstand des Mülheimer Mieterschutzbundes und des Bochumer Schuldner-Schutzes.

Die müssen vom Vermieter beglichen werden. Das Problem ist aber, dass Sie die Elektriker zunächst selbst bezahlen müssen. Wenn eine umfassende Sanierung nötig ist, wie das bei der Wohnung in Backnang wohl der Fall gewesen sein dürfte, fallen da hohe Kosten an. Sie haben die Möglichkeit, diese Ausgaben von der Miete abzuziehen.

Welche Probleme können hierbei auftauchen?

Ich würde niemandem empfehlen, eigenständig große Beträge von der Miete abzuziehen – schon gar nicht einer Familie mit zehn Kindern. Die Gefahr, dass der Vermieter bei Ausbleiben der Miete eine Räumungsklage einreicht oder eine fristlose Kündigung ausspricht, ist hoch. Dann müssen Sie als Mieter erst mal nachweisen, dass ihr Vorgehen juristisch einwandfrei war. Eine Instandhaltungsklage ist also empfehlenswerter. Grundsätzlich ist die Minderung der Miete aber ein geeignetes Druckmittel, um den Vermieter zum Handeln zu bewegen.

Was lehrt uns der Brand in Backnang?

Er zeigt: Solange die Nachfrage besteht, kann ein Vermieter auch die miserabelste Unterkunft vermieten. Im Prinzip entscheidet der Markt. Arme Leute haben da oft wenig Alternativen.

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15 Kommentare

 / 
  • L
    @Lasher

    Ob er Türke ist, kann ich nicht sagen, aber er ist kein ethnisch Deutscher.

     

    Die Türken wollten ja einen auf Rassismus des dt. Vermieters machen, haben dann aber schnell zurückgezogen als sie merkten, das der garnicht deutsch ist.

     

    Ich kann nur für NRW sprechen, aber Privatvermieter vermieten eher nicht an jene.

  • GT
    Gelegentlicher Taz-Leser

    Übereinstimmend unterstellen Julia Janzyk und Claus Deese als Tatsache, der Brand in Backnang sei durch einen technischen Defekt ausgelöst worden. Dabei ist nicht einmal geklärt, wo genau das Feuer seinen Anfang nahm. Die Polizei streut Vermutungen, um ja nicht in Richtung Nazis ermitteln zu müssen. Selbst nach den NSU-Morden fragt die Taz nicht kritisch nach. Dabei liefern Internet (z.B. http://www.netzwerkit.de/Members/MaxMoritz/news20130314-001) und Lokalpresse (http://www.bkz-online.de/node/503235) jede Menge Stoff. Kritischer Journalismus bei der Taz war einmal, selbst eine Internet-Recherche ist zu viel verlangt.

    Dass schon die erste Frage der dementierten DPA-Meldung aufsitzt, heute würde die Polizei ihr Ermittlungsergebnisse mitteilen, spielt da schon keine Rolle mehr. (dazu http://presse.polizei-bwl.de/_layouts/Pressemitteilungen/DisplayPressRelease.aspx?List=7fba1b0b-2ee1-4630-8ac3-37b4deea650e&Id=57103)

    Armselige Taz, was ist nur aus Euch geworden!

  • F
    FaktenStattFiktion

    Der Vermieter war doch sicher ein Nazi, welcher trotz der NSU-Mordserie den armen Mietern_Innen mit Migrationshintergrund eine Renovierung aus rassistischen Motiven vorenthalten und sogar Miete verlangt hat.

     

    Wahrscheinlich hat der Vermieter in der Grundschule sogar neben einem Klassen"kameraden" gesessen, welcher später mal einen Freund hatte welcher NPD gewählt haben soll. Ob er wenigstens Vegetariert ist oder vegan lebt? Wohl kaum! Dessen Ehefrau (er lebt nicht einmal in einer Patchwork-Familie!) soll sogar einen echten Pelz (geerbt) im Schrank hängen haben.

    Ob das Kind sogar noch "Negerküsse" und "Zigeunerschnitzel" ist, wurde bislang nur vermutet.

     

    Außerdem trauen wir der deutschen Feuerwehr nicht, die laufen immerhin in deutschen Uniformen (!!!) herum und tragen eine Art Stahlhelm.

    Wir warten lieber ab, was die zuständige türkische Botschaft verlangt und bis dahin widmen wir jede Woche einen Straßennamen um.

     

    Und falls es Stromdiebstahl war - Schuld hat nur der Staat mit den unsozialen Stromtarifen! Wobei Diebstahl sowieso das falsche Wort wäre, eher wäre "vorgezogene Stromentnahme" (politisch) korrekt.

  • I
    Irene

    Der Schwarzwälder Bote meldet, dass die Brandursache noch völlig unklar ist:

    http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.nach-grossbrand-in-backnang-ergebnisse-zur-brandursache-weiterhin-unklar.8e7657b3-f010-41cc-8645-a6a5e34ad1d4.html

     

    Wie war das nochmal mit "keine Vorverurteilung" und "kein Generalverdacht gegen" (hier Vermieter)?

  • HR
    HP Remmler

    @ Zum Kotzen:

     

    Die Überschrift "Beweise vernichtet" ist angesichts des Artikelinhalts wirklich unfassbar. Es stimmt allerdings nicht, dass "nicht mal die BILD derart widerlich (arbeitet)", denn BILD arbeitet exakt so. Das macht es ja gerade so furchtbar.

  • W
    wegen

    Wenn die taz Beweise hat, die belegen, dass vom Vermieter Beweise vernichtet wurden, dann sollte sich der Staatsanwalt schleunigst der Sache annehmen und Hausdurchsuchungen durchführen. Ansonsten wird es politisch.

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    Solange man an den alten Leitungen nicht herumfummelt, passiert da kaum etwas. Es gibt ja auch Sicherungen. Ich habe die alten Einscheibenfenster gegen dreifach Iso ausgetauscht, wollte dann erstmalig nach 7 Jahren die Miete um 10 € erhöhen - wäre nur über das Gericht möglich gewesen. Ich habe mehrfach "intelligente" Eltern gesehen, die die Streichhhölzer ihren Kindern überliesen. - Es ist wie bei den Kampfhunden, "mein Kind macht sowas nicht".

     

    Selbst gesehen: Der Mieter schloß über eine 0,75 zweiadrige Litze (das Billigste aus dem Baumarkt) 2 Waschmaschinen, 2 Trockner, dazu Mikrowelle und Geschirrspüler an. Anschließend ein Jahr lang keine Mietzahlung, weil die Wand "unter Strom steht".

     

    Ein Mieter hat den Rauchmelder einfach abmontiert. Ich mußte mit Kündigung drohen, damit er ihn wieder montierte.

    Mir scheint, daß jeder Vermieter bücherweise erzählen könnte. Ich selbst habe offene Benzinlager und abmontierte Gasleitungen gesehen. Im Billigsektor ist der Vermieter für Viele nur ein Aschloch. Wie oft habe ich für ARGE-Mieter kostenlos das Treppenhaus geputzt. Bringen Sie doch mal ein paar Bilder, die kann ich Ihnen kostenlos und in großer Zahl zur Verfügung stellen. Es gibt Häuser, da geht der Postbote nicht bis zum Briefkasten. Das heißt nicht, daß diese Leute nicht einen völlig normalen Eindruck machen.

  • L
    Lasher

    ...ist der Vermieter Türke oder Deutscher ?

  • Y
    Ysanne

    "Am besten informieren Sie den Vermieter schriftlich und setzen eine Frist, innerhalb derer er die Mängel beheben soll."

     

    Tolle Einstellung, typisch Mieterbund. Bloss keine freundliche Kooperation (es steht naemlich durchaus auch im Interesse des Vermieters, die Wohnung, die immerhin einen ziemlichen Vermoegenswert darstellt, in gutem Zustand zu halten), sondern gleich mal schriftliche Aufforderungen und Fristen.

    Wie waer's mit "Informieren Sie den Vermieter, und besprechen Sie zusammen, wie und wann er es beheben laesst. Halten Sie das Ergebnis dann schriftlich fest."

    Fand ich bisher irgendwie sowohl als Mieter als auch als Vermieter viel angenehmer, sich gegenseitig erstmal als Menschen statt Schmarotzer/Ausbeuter zu behandeln.

  • A
    AntonGorodezky

    Hat der Vermieter das Recht seine Mieter fristlos vor die Tür zu setzen, wenn er erfährt, dass die von ihm vermietete Wohnung nicht sicher ist? Nicht jeder Vermieter kann es sich leisten, sofort nach Bekanntwerden eines Missstandes die Handwerker anrücken zu lassen.

  • KF
    Kritische Frage

    Mein Mitgefühl den Hinterbliebenen, eine Frage macht mich aber stutzig,

    Warum sterben bei solchen Bränden mit Opfern aus diesem Kulturkreis immer nur Frauen und Kinder? Könnte es sein, dass die Herren zuerst flüchten?

     

     

     

    Frauen und Kinder zuerst zu retten scheint nicht teil der orientalischen Charakters zu sein. Ob dies in diesem Fall so war, kann ich nicht beurteilen, aber in allem mir bekannten und in die Medien gekommenen Wohnungsbränden waren immer nur Frauen und Kinder unter den Opfern.

  • V
    vulkansturm

    Also Emails können ja nicht verbrennen und wenn man dazu noch ein Schreiben per Einschreiben schickt hat man auch schon bessere Karten.

  • G
    gerstenmayer

    ab einem bestimmten baujahr sollte es von jedem vermieter pflicht sein - kontrollieren zu lassen-ich selbst habe schon verheerende elektrische mängel in alten häusern gesehen-zudem gehören rauchmelder ebenso

    als pflicht

  • ZK
    Zum Kotzen

    So sieht also moderner taz-Journalismus aus!

     

    Aus dem Abschnitt:

    [...]Zweitens: Der Vermieter wurde davon auch in Kenntnis gesetzt. Gerade bei Bränden ist das aber oft nicht mehr möglich.

     

    Warum nicht?

     

    Weil die Beweise in der Regel vernichtet sind. Wie wollen sie defekte Leitungen nachweisen, wenn alles verbrannt ist?

    [...]

     

    Destiliert man die Überschrift "Beweise vernichtet", als hätte da irgendjemand Beweise vernichtet. Nicht mal die BILD arbeitet derartig widerlich.

  • M
    Michael

    Der Artikel impliziert, daß die marode Hauselektrik für den Brand verantwortlich war. Ich kann aber bis auf diesen Artikel keinerlei eindeutige Aussage auf die Brandursache finden, es ist die Rede von (natürlich) Hauselektrik, aber auch Herd oder Holzofen sind in der Diskussion.

    Wissen Sie da mehr oder unterstellen Sie da einfach aus ideologischen Gründen (böser, böser Vermieter) etwas?

    Falls Sie da mehr wissen, bitte ich um Information.