Mietenwahnsinn in Berlin: Gemeinsam gegen Vonovia
Im Kampf gegen überhöhte Heizungs- und Betriebskostenforderungen setzt die Mieter*innenbewegung auf eine stärkere, auch bundesweite Vernetzung.
Den Aktivist*innen sei es zuvorderst darum gegangen, sich darüber auszutauschen, wie sich Mieter*innen gegen die horrenden Heizungs- und Betriebskostenforderungen wehren können, die bei vielen im Winter im Briefkasten lagen, sagt Daniel Katzenmaier zur taz. Er ist Vorsitzender der Mietergewerkschaft und Mitorganisator der Konferenz am Wochenende.
Die höchste Nachzahlungsforderung in Berlin habe sich, so Katzenmaier, auf über 9.000 Euro belaufen. Viele Mieter*innen hätten auch ihr Recht auf Nichtbezahlung in Anspruch genommen. Aber nach dem Kampf sei vor dem Kampf: „Denn die nächste Zahlungsaufforderung wird auf jeden Fall kommen.“
Mit über 600.000 Wohnungen ist Vonovia Deutschlands größter renditeorientierter Wohnimmobilienkonzern. Und Rendite bringt hier nun mal vor allem die – überhöhte – Miete. Gleichwohl hat Vonovia 2023 einen Verlust von fast sieben Milliarden Euro gemacht. Auch das bekommen Mieter*innen zu spüren. So wurde nicht nur der Neubau von Mietwohnungen eingestellt, auch Instandsetzungen und Modernisierungen wurden heruntergefahren, sanierungsbedürftige Wohnungen weiterverkauft und der Service reduziert.
Neue Strategien gesucht
Trotzdem, so die Berichte der Konferenzteilnehmer*innen, werden immer höhere Mieten und intransparente, zum Teil extrem hohe und fehlerhaft berechnete Betriebs- und Heizkosten verlangt. Diese solle man auf keinen Fall zahlen, sondern die Belege einfordern.
„Die große Betroffenheit führt zu einem großen Kampfeswillen“, sagt ein Aktivist aus dem nordrhein-westfälischen Bottrop, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Auch er ist fest davon überzeugt: Man müsse sich gegen diese Geschäftspraktiken wehren, die regionalen Kämpfe zusammenführen und neue Strategien entwickeln.
„Wir müssen die Geschäftsmodelle verstehen und kritisieren“, sagt Knut Unger von der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen. Vonovia treibe die Mieten weiter an, auch weil die Schulden des Unternehmens gestiegen und der Wert der Immobilien „zusammengebrochen“ sei. Dass die Mieter*innen jetzt die Leidtragenden sein sollen, gehe nicht an, so Unger, der auch von einer „Neoliberalisierung des Wohnungsmarktes“ spricht.
Uwe Zoellner von Finanzwende-Recherche sieht das genauso. „Die Finanzmärkte bestimmen das Handeln der Vonovia“, sagt er. Zoellner muss es wissen, schließlich ist er selbst ehemaliger Fondsmanager. Da die Vonovia-Aktie gefallen ist, müsse der Konzern „die Aktionäre bei Laune halten“.
Dagegen müsse man selbst aktiv werden, fordert wiederum Unger, die Mieten müssten kontrolliert werden. Und vor allem: „Wir kommen um eine Vergesellschaftung nicht herum.“
Vergesellschaftung als Problemlöser
Dem kann sich Karla Hildebrandt nur anschließen. Wenig verwunderlich, sie engagiert sich im Kiezteam Tempelhof-Schöneberg der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen, die die Bestände von großen privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen vergesellschaften und in eine Anstalt des öffentlichen Rechts überführen will.
Letztlich gehe es darum, die Bestände langfristig dem Markt zu entziehen, gemeinwirtschaftlich zu verwalten und zu demokratisieren. „Durch die Vergesellschaftung von Vonovia und Co kann Berlin Probleme lösen, für die der Politik heute jedes Mittel fehlt“, sagt Hildebrandt. Ihre Forderung: „Lasst uns zusammen dafür kämpfen, dass Wohnen wieder ein echtes, geschütztes Grundrecht wird und nicht länger nur eine Frage des Geldes.“
Für Daniel Katzenmaier sind die Ergebnisse der Konferenz „sehr motivierend“. Als Nächstes stünden Besuche bei den Aktionärsversammlungen und eine große Mietendemonstration in Berlin auf der Agenda. Dazu kämen Basisarbeit, die Gründung neuer Mietergemeinschaften, Seminare, Kampagnen. „Vonovia übt sehr starken Druck auf die Mieter*innen aus, wir wollen zeigen: Wir sind mehr“, so Katzenmaier.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version wurde ein Zitat zur Vergesellschaftung versehentlich Uwe Zoellner zugeordnet. Tatsächlich stammt es von Knut Unger. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen. taz berlin
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