piwik no script img

Mietenpolitik der LinksparteiEnteignungen schön geredet

Kommentar von Stefan Alberti

Die Linke macht es sich mit ihrer Unterstützung für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ zu einfach – leider.

Erfolgreicher Widerstand: In der Karl-Marx-Allee wurde die Deutsche Wohnen bereits ausgebremst Foto: picture alliance/Christoph Soeder/dpa

V ergesellschaften also, nicht enteignen. Klingt besser. Während Enteignung schon im Ansatz negativ wirkt und für Wegnehmen steht, dockt Vergesellschaftung an positiv besetzte Begriffe wie Gemeinschaft und Solidarität an. Durchaus schlau, dieser Versuch des re-branding, den Udo Wolf und Carola Bluhm als Chefs der Linksfraktion betreiben. Dass es auch am Wochenende bei der Klausurtagung in Rheinsberg nur beim Versuch bleiben konnte, liegt an der Versuchsanordnung: Sosehr Wolf und Bluhm auch von „vergesellschaften“ reden –„ enteignen“ ist unveränderlich im Namen des Volksbegehren gegen Deutsche Wohnen & Co festgeschrieben.

Es ist eine Doppelstrategie, die Wolf und Bluhm da verfolgen: einerseits das Volksbegehren schöner reden, andererseits den von der SPD als Alternative zur Enteignungs-Initiative vorgeschlagenen Mietendeckel folgenschwerer machen. „Der Mietendeckel ist ein nicht minder radikaler Eingriff in die Verwertungsinteressen“, hat Wolf in Rheinsberg einer Journalistenrunde gesagt. Denn er richte sich nicht bloß gegen große Wohnungsunternehmen – das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zielt nur auf Großvermieter mit über 3.000 Wohnungen in Berlin –, sondern auch auf kleine Vermieter, also auch die ehrlichen, sozialen, nicht ausbeuterischen usw.

Nicht minder radikal? Das ist zu bezweifeln. Ein Mietendeckel, zumindest nach SPD-Definition, würde die Mieten für einige Jahre auf jetziger Höhe einfrieren. Für manche Vermieter – vor allem die netten – wäre das gar kein Problem, weil sie ohnehin nicht alles ausnutzen, was ihnen das Mietrecht ermöglicht. Und selbst andere müssten auch bei einem mehrjährigen Stopp eher nur einmal auf jene 15 Prozent Erhöhung verzichten, die in Berlin binnen drei Jahren zulässig sind.

Bei einer Enteignung hingegen sind die Wohnungen dauerhaft weg für ihre bisherigen Eigentümerfirmen. Und die sollen dafür nach Vorstellungen mancher in der Enteignungsinitiative nur einen symbolischen Preis von 1 Euro, auf jeden Fall aber höchstens ein Drittel dessen bekommen sollen, was nach offizieller Einschätzung des Senats an Entschädigung fällig wäre.

Die beabsichtigte Botschaft: Eine Enteignung – von der Linkspartei als einziger Partei unterstützt – trifft die Richtigen, nämlich die Bösen, während bei einem Mietendeckel à la SPD auch die Guten mitleiden müssten. Gut und böse, schwarz und weiß, oben und unten. Klingt schlicht, könnte aber gerade darum leider gut ankommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Was soll dieser Kommentar?



    Linksparteibashing?



    Wir brauchen beides:



    Mietendeckel und Sozialisierung von ausbeuterischen Großvermietern.



    Dann wird der Standort Berlin vielleicht auch endlich wieder einer für echte Investoren und nicht mehr für Spekulanten, die sich diesen Titel zulegen.

  • Grundgesetz, Artikel 14:

    "(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.



    (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.



    (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen."

    Der Autor suggeriert irgendwie, als wären Enteignungen und Vergesellschaften per se ein Unding, ein Abgrund der Unaussprechlichkeit.

    Wenn die am Markt realisierbaren Mieten nicht mehr zu politisch forcierten Niedriglöhnen passen, muss sie Politik eben eingreifen.

    Theoretisch würde der Markt das Problem regeln, da bei hohen Mieten das Bauen neuer Mietwohnungen eine attraktive Investition wäre. Aber leider sind Baugrundstücke nicht unbegrenzt verfügbar und zu dem gerade wegen des hohen Mietniveaus auch teuer. Das ergibt, dass Investoren wegen der höheren Rendite lieber Wohnungen im Luxussegment bauen. Dadurch wiederum steigen das Niveau der Mieten und die Grunstüclspreise noch mehr.

    Würde man die Mieten generell auf fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter deckeln, sänken in der Folge auch die Grunstückspreise. Wenn dennoch niemand mehr neue Wohnungen bauen wollte, könnte dies dann eben der Staat tun.

    Die Unternehmen, die der Autor nicht enteignet sehen will, hätten es dann auch sehr eilig, ihre Wohnungen loszuwerden, die sie ihrerseits ja auch einmal zu nicht gerade unerträglichen Konditionen vom Staat bekommen haben.

  • Zitat: „Vergesellschaften also, nicht enteignen. Klingt besser.“

    Vermutlich nicht für jeden. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, da dachten die Mieter bei Begriffen wie Gemeinschaft und Solidarität an Klos und Duschen auf halber Treppe und Timur-Einsätze im Kohlenkeller.

    Ist ja nicht so, dass für die öffentliche Hand oder Genossenschaften nur Leute arbeiten würden, die alles besser machen (und nicht nur alles besser wissen). Selbst die, die wollen und könnten, dürfen manchmal nicht. Ganz abgesehen von denen, die gar nicht erst können wollen.

    Falsche und verschleppte Entscheidungen privater Entscheidungsträger haben vor 100 Jahren für die Vergesellschaftung gesprochen. Vor 50 Jahren haben falsche und verschleppte Entscheidungen von Entscheidungsträgern in öffentlichen und genossenschaftlichen Einrichtungen massenhafte Privatisierungen möglich gemacht. Nun ist beides offenbar so weit vergessen, dass es mal wieder andersrum gehen kann.

    Das blöde Spiel kann bis in alle Ewigkeit weiter gehen. Fakt ist: Der Mensch bleibt der Mensch bleibt der Mensch. Irgendwo klemmt's immer, wenn Macht missbraucht wird. Ob der Mensch dann in der privaten Firma arbeitet, auf einer Behörde oder für eine Genossenschaft, ist sekundär. Jede Struktur sucht sich die Leute, die zu ihr passen – und umgekehrt. Das Problem ist das Peter-Prinzip. Das aber greift überall. Es hängt nämlich am Menschen, der in einer Hierarchie feststeckt, nicht an der Eigentumsform.

    Wenn in der angeblich freien Wirtschaft Unternehmen too big to fail und zugleich zu groß werden, als dass noch irgendwer die Übersicht haben könnte, kann man auch gleich einen Staatsbetrieb gründen und einen 5-Jahr-Plan aufstellen. Das kommt dann zwar deutlich billiger, dafür aber leider nichtviel besser.