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Mietendemonstration in BerlinKampf um den Mietendeckel

Mehrere tausend Mieter:innen gehen in Berlin für einen Mietendeckel auf die Straße. Derweil spitzt sich der Streit darum im Berliner Senat weiter zu.

Auf der Auftaktkundgebung zur Mietendemonstration am Alexanderplatz Foto: epd-bild/Christian Ditsch

Berlin taz | Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) will weiterhin verhindern, dass der geplante Mietendeckel auch die Möglichkeit enthält, Mieten abzusenken. Der bisherige Entwurf sieht vor, dass Mieter:innen, die mehr als 30 Prozent des Einkommens für ihre Wohnung zahlen müssen, ihre Miete auf die im Deckel festgelegten Grenzen absenken können. Während am Tag der Deutschen Einheit mehrere Tausend Mieter:innen unter dem Motto „Erst richtig deckeln, dann enteignen“ durch die Stadt zogen, bekräftigte der Regierende Bürgermeister, dass er eine Absenkung von Bestandsmieten für problematisch halte, weil dies rechtliche Unsicherheiten und einen erhöhten Verwaltungsaufwand mit sich bringen könnte.

Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) lässt sich davon aber offenbar bislang nicht beirren: In dem neuesten Entwurf für ein Mietendeckel-Gesetz, datiert auf den 23. September, der der taz vorliegt, ist die Möglichkeit zur Absenkung weiterhin enthalten.

Aus der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus heißt es dazu, die SPD habe diese Haltung Ende August selbst mitgetragen. Am Abend des 29. August hatten sich SPD, Linke und Grüne bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses auf die Grundlagen eines Referentenentwurfs geeinigt, den Lompscher einen Tag später der Presse vorstellte – die Möglichkeit zur Absenkung war hier bereits ein zentraler Bestandteil.

Doch Michael Müller ist davon offenbar nicht überzeugt: „Wir müssen wegkommen von diesen radikalen Lösungen, die gar nicht umsetzbar sind, die auch juristisch hoch umstritten sind“, hatte Müller schon am Dienstag im RBB gesagt. Gegenüber dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), dem Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, bekräftigte Müller vor wenigen Tagen ebenfalls, er gehe davon aus, dass „die gesamten Vorhaben zur Absenkung der Mieten aus dem Gesetz herausgenommen werden“.

Was Herr Müller da sagt, finde ich hochgefährlich

Kerstin Teich, Mietergemeinschaft

Genau dagegen machten die Mie­ter:in­nen am Donnerstag mobil. „Wir haben schon eine Mietpreisbremse, die nicht bremst, wir brauchen nicht auch noch einen Deckel, der nicht deckelt“, sagt der Demonstrationsteilnehmer Steffen Doebert aus Pankow der taz, der mit einer Maske des Regierenden Bürgermeisters gekommen ist. „Der Berliner Wohnungsmarkt ist völlig aus dem Gleichgewicht geraten, jetzt muss der Staat eingreifen“, findet er. Seine Begleiterin Nicole Lindner erzählt, in ihrem persönlichen Umfeld habe es bereits einen Fall von Suizid gegeben, der viel mit der Angst vor der drohenden Verdrängung zu tun gehabt habe. „Das sind Probleme, die an die Existenz gehen, und es braucht jetzt wirklich weitreichende Lösungen.“

Der Immobilienverband ZIA hatte die Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters am Mittwoch als „eine Wende hin zu Vernunft“ begrüßt. Der Staatssekretär für Wohnen, Sebastian Scheel (Linke), betonte am Mittwoch hingegen, die Absenkung sei Teil der im Juni vom Senat beschlossenen Eckpunkte – „und somit auch Teil des durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen erarbeiteten Gesetzentwurfs“. Auch Grünen-Fraktions-Chefin Antje Kapek plädierte dafür, den Entwurf auf Basis der beschlossenen Eckwerte umzusetzen, also inklusive der Option auf Absenkung bei besonders hoher Belastung durch die Miete.

Kerstin Teich von der Berliner Mietergemeinschaft ist am Donnerstagmittag ebenfalls unter den Demo-Teil­nehmer:innen, die sich zur Auftaktkundgebung am Alexanderplatz versammelt haben. „Ich will einen Mietendeckel, der nicht noch weiter durchlöchert wird. Was Herr Müller da sagt, finde ich hochgefährlich“, sagt sie. Neben der Regulierung der Bestands- und Neuvermietungspreise müsse der Senat auch kommunalen Wohnungsbau stark ausbauen: „Wir dürfen die Forderung nach Wohnungsbau nicht den privaten Konzernen oder der FDP überlassen“, sagt sie.

Bislang ist geplant, dass der Senat am 15. Oktober über den Mietendeckel entscheidet, danach ginge der Entwurf ins Abgeordnetenhaus. „Dass es über Detailfragen verschiedene Vorstellungen bei den Koalitionspartnern gibt, ist ganz normal“, so Müller am Donnerstag angesichts der doch recht massiv erscheinenden Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalition.

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7 Kommentare

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  • Wer im Zusammenhang mit Mietendeckel und Enteignung auf den begrenzten Landeshaushalt verweist, hat im Grunde natürlich völlig recht. Das Problem ist viel umfassender und kann nur begrenzt zwischen Staatshaushalt, Immowirtschaft und Bevölkerung gelöst werden. Es geht um die Verteilung der produzierten Ressourcen insgesamt. Wie werden produzierte Werte zwischen Löhnen, Profiten, Steuern und Reinvestitionen aufgeteilt? Der Anlagedruck, der von der Immobranche ausgeht, ist ja nur deshalb so hoch, weil in der Produktion viel zu viel Rendite ausgeschüttet wird, die dann zu einem Teil wieder angelegt werden soll. Menschen können ihre Miete nicht zahlen, weil Löhne im Verhältnis dazu zu niedrig sind. Aus Steuermitteln kann nur begrenzt eingegriffen werden, weil Unternehmen und Vermögende zu wenig Steuern zahlen.



    D.h. auch Produktion und Verteilung brauchen dringend eine Demokratisierung und Humanisierung.

  • Zitat Müller im Artikel : „Wir müssen wegkommen von diesen radikalen Lösungen, die gar nicht umsetzbar sind, die auch juristisch hoch umstritten sind“ - Nein Herr Müller, wir müssen von visionslosen und empathielosen Leuten wie Ihnen wegkommen. Nach aktuellem Stand der Umfragewerte würde die SPD nämlich gar nicht mehr als stärkste Fraktion den Regierenden stellen....! Warum wohl ? Mieten dürften z.B. ein Thema sein.

    • 0G
      07301 (Profil gelöscht)
      @püppi von Wegen:

      Ich gebe Ihnen vollkommen recht. Ich bin auch dafür, dass Rechte von anderen nicht mehr beachtet werden, wenn es mir nicht passt und diese nicht empathisch sind.

      Man könnte in diesem Zusammenhang endlich alle Miethäuser in Eigentumswohnungen umwandeln, damit es keine Mieter*innen mehr geben muss. Moment, das wäre noch nicht einmal juristisch umstritten.

      Juristisch umstritten wäre es, die Todesstrafe in Hessen wieder anzuwenden, die in der dortigen Verfassung niedergeschrieben ist. Natürlich nur mit entsprechender Empathie.

  • Ein Mkratorium, d.h. ein Festschreiben der Mieten ist auch ein Deckel. Die angedachte Absenkung ist in ihrer Ausgestaltung eh begrenzt möglich: Wohnungsgrößen, Einkommen und die Vermeidung dauerhafter Verluste sind wesentliche Stellgrößen. Insbesondere die ltetztere Anforderung macht den geplanten und gewünschten Deckel lustig. Das Land Berlin zahlt die Differenz. Dazu zahlt es einen enormen Verwaltungsüberhang. Das Geld fehlt beim sozialen Wohnungsbau.



    Deckeln (=einfrieren) und in den nächsten 5 Jahren gebundene Wohnungen bauen, das wäre eine pragmatische und wirksame Lösung.

  • In Zusammenhang mit den Wohnungsmieten wird oft von DDR-Nostalgikern auf die niedrigen Mieten in der DDR verwiesen. Gern wird u. a. daran die angebliche „Überlegenheit des Sozialismus“ festgemacht. Die Kehrseite bleibt unerwähnt: Die oft mangelhafte Bausubstanz und Wohnqualität. Glück hatte, wer eine Wohnung in einem Plattenbau bewohnte, denn diese wurden von der Kommunalen Wohnungsverwaltung (KWV) oder der Arbeiter-Wohnungsbaugenossenschaft (AWG) bewirtschaftet, die staatlicherseits unterstützt wurden.



    Dagegen mussten die meist privaten Vermieter selbst sehen, wie sie mit den geringen Mieteinnahmen die Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen finanzieren konnten. Zumal Baumaterial u. ä. wegen der DDR-typischen Mangelwirtschaft zugeteilt wurde, und zwar bevorzugt an KWV und AWG.



    Der daraus folgende zunehmende Verfall der Bausubstanz war oft schon äußerlich sichtbar. Nach der Wende 1989 wurde bekannt, dass z. B. der Abriss großer Teile der historischen Erfurter Altstadt und der Ersatz durch Plattenbauten bereits geplant war, weil sich eine Sanierung angeblich nicht mehr lohnte. Glücklicherweise kam die Wende zur rechten Zeit!



    Ob eine Enteignung der Miet-Haie den Mietern wirklich etwas bringt, wage ich zu bezweifeln. Denn dann würden die Mietzahlungen an die hochverschuldete Stadt Berlin gehen, die erstmal Entschädigung an die bisherigen Eigentümer zahlen müsste und dann auch für die Werterhaltung verantwortlich wäre. Kaum anzunehmen, dass dann die Mieten stabil bleiben oder gar sinken!

  • Nun wenn man schon verfassungsfeindlich agiert dann doch bitte so richtig. Dann hat das Verfassungsgericht es noch etwas leichter. Warum also auf die letzte Schippe Willkür verzichten?

    Was ich allerdings unglaublich finde ist das Politiker, die auf einen starken Staat setzen sich scheinbar so wenige Gedanken um die Seiteneffekte ihres Handelns machen. Wenn man den Mietpreis, abhängig vom Einkommen der Mieter, absenken kann dann wird Geringverdienern oder Menschen ohne Festanstellung das zu einem weiteren Nachteil gereichen.

    • @Januß:

      Spannend ist, wenn derMieter selbstverschukdet, z.B. durch eine veränderte Lebensplanung in den kritischen Bereich gerät.



      Ist der Vermieter nun zur Absenkung verpflichtet?



      Da wird es dann spannend.