Mietendeckel unter Beschuss: Im Ernst, Genosse Haifisch?
Eine Baugenossenschaft sagt, der Mietendeckel zwinge sie zur Aufgabe eines Bauprojekts – mieterfeindliche Stimmungsmache in schlechter Gesellschaft.
S urprise, surprise. Dass ein milliardenschwerer Immobilienkonzern wie die Deutsche Wohnen den geplanten Mietendeckel als Untergang alles Guten darstellt, dürfte niemanden überraschen. Ganz beiläufig-auffällig hat das Unternehmen am Mittwoch ein Fragezeichen hinter eine Milliardeninvestition in Berliner Immobilien und Neubau gesetzt, explizit wegen des Deckels. So weit, so erwartbar.
Aber das? Fast zeitgleich verkündete auch eine Wohnbaugenossenschaft ihre Abkehr von einem Neubauprojekt am Südrand Neuköllns – und bemüht ebenfalls den Mietendeckel als Begründung. Die Argumentation ähnelt in ihrer Struktur verdächtig der der PR-Abteilungen der privaten Bauwirtschaft: Weil Mieterhöhungen in den kommenden Jahren verhindert werden, fehle der Genossenschaft das Geld für das Neubauprojekt.
Einmal abgesehen davon, dass bisher kein Nachweis für diese Behauptung vorliegt: Der Fall belegt noch lange nicht die ebenso gewagte wie viel beschworene Behauptung, der Mietendeckel schade am Ende den Mietern. Denn die geplanten Wohnungen müssen nach derzeitiger Planung so oder so gebaut werden: wenn nicht von einer der anderen interessierten Genossenschaften, dann eben vom Land.
Woher nun die unheilige Allianz zwischen den exponierten Vertretern des Baukapitals und den netten Wohnvereinen von nebenan? Auch die Abmilderung des Gesetzentwurfs bezüglich der moderaten Erhöhung niedriger Mieten hat die Front nicht zerschlagen. Offensichtlich kollidieren die staatlichen Eingriffe tatsächlich mit dem althergebrachten Rechnungsmodell einiger Genossenschaften.
Ohne Rubel keine Bagger
Das wiederum verwundert schon weniger. Denn trotz ihrer sozialen Ambitionen: auch Genossenschaften agieren auf einem freien Wohnungsmarkt, wo ohne Rubel kein Bagger rollt. Sie können weder die Dynamik der Bodenpreise ignorieren noch auf Luft und Liebe bauen.
Die Anti-Deckel-Sprüche aus der genossenschaftlichen Ecke lösen Ekel aus, nicht nur bei jenen, die noch schnell vor dem Stichtag des Mietenstopps eine Mieterhöhung bekamen. Sie zeigen jedoch mit brutaler Klarheit die Schwäche der Idee, mittels staatlicher Eingriffe einen freien Wohnungsmarkt in eine Wundertüte für die Wohnenden zu verwandeln.
Nötig wäre vielmehr eine aktive und flächendeckende Loslösung des Wohnraums vom freien Markt. Genossenschaften, die sich da auf die Seite der großen Immobilienhaie stellen, können nicht Teil dieser Lösung sein.
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