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Mieten für FlüchtlingsunterkünfteNiederlage für Flüchtlingsamt

Das LAF darf keine Rechnungen für Mietzuzahlungen schreiben, gab das Berliner Sozialgericht einer Geflüchteten Recht.

Das Berliner LAF unterlag vor dem Sozialgericht Foto: dpa

Berlin taz | Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) musste dieser Tage vor dem Sozialgericht eine Niederlage einstecken. Eine junge Frau, die nach der Asylanerkennung weiterhin mit ihrem Kind in einem Flüchtlingsheim lebt, weil sie keine Wohnung findet, hatte dagegen geklagt, dass das Amt monatlich 30 Euro für die Unterkunft von ihr verlangt.

Die Frau hat laut ihrem Anwalt Volker Gerloff kein eigenes Einkommen. Sie bekomme Kindergeld, dazu Arbeitslosengeld II vom Jobcenter, das auch die Kosten für die Flüchtlingsunterkunft bezahlt. Ob die 30 Euro inhaltlich berechtigt sind, hat das Gericht nicht entschieden. Es hat nach Darstellung von Gerloff sowie von Georg Classen vom Flüchtlingsrat die Praxis des LAF für rechtswidrig erklärt, diesen Betrag mittels einer Rechnung einzufordern.

„Eine Sozialbehörde kann keine Rechnungen schreiben, sondern nur sozialrechtliche Bescheide, gegen die Widerspruch und Klage möglich ist“, erklärte Classen der taz. Grundlage dafür müsste eigentlich eine Gebührensatzung sein, die es in Berlin bisher aber nicht gibt. Laut Classen ist die Sache mit den Rechnungen in Berlin seit einiger Zeit „gängige Praxis“.

Das LAF würde sogar schriftliche „Schuldanerkenntnisse“ von den Geflüchteten verlangen, mit denen sie die Rechnungen als Schuldtitel anerkennen und auf Rechtsmittel verzichten. Die meisten Betroffenen verstünden gar nicht, worum es gehe und würden die Rechnungen bezahlen.

Laut Anwalt Gerloff ist die Gerichtsentscheidung zwar nur auf den Einzelfall bezogen. Andere Betroffene hätten nun aber gute Chancen, bei einer Klage ebenfalls Recht zu bekommen.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) erklärte gegenüber der taz, zu dem konkreten Einzelfall könne sie nichts sagen. Grundsätzlich sei es aber in der Gesetzgebung des Bundes geregelt, dass Wohnungslose mit eigenem Einkommen sich an den Kosten der Unterkunft beteiligen müssen.

Weil man in Berlin die bundespolitischen Vorgaben für zu hoch erachte, habe man 2019 eine Übergangsverordnung erlassen, mit der der Eigenanteil von Geflüchteten mit Arbeit an den Kosten ihrer Flüchtlingsunterkunft auf 344 Euro pro Person und Monat begrenzt wurde. „Das ist viel günstiger als beim Bundesgesetz“, sagte Breitenbach. Eigentlich, so die Senatorin weiter, hätte diese Übergangsverordnung 2020 durch eine Gebührenordnung ersetzt werden sollen. „Aber da kam uns Corona dazwischen.“

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3 Kommentare

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  • Die Behauptung der Senatorin, es gäbe Bundesgesetze, aus denen sich noch höhere Beträge als 344 EUR monatlich ergäben etc. ist schon frech! Das Bundesgesetz soll sie mal konkret benennen - es gibt nämlich keins.



    Das Dreiste an der Praxis ist ja auch vor allem, dass der Senat das Sozialrecht aushebelt, indem er illegale "Schuldanerkenntnisse" und "Rechnungen" verwendet und darauf hofft (leider mit Erfolg), dass die Betroffenen sowieso nicht klagen. Wenn dann mal eine Klage tatsächlich durchgeht, wird das Urteil eben ignoriert...



    Ganz miese Nummer von Breitenbach + "Die Linke"

  • Der Kostendeckel von 344 Euro gilt für 18.000 Flüchtlinge in LAF Unterkünften. Weitere 30.000 geflüchtete, ausländische und deutsche Wohnungslose leben in ASOG-Unterkünften der Bezirke, wo 800 bis 1100 Euro/Monat/Person für einen Bettplatz gefordert werden. Geflüchtete und Wohnungslose lernen dort, dass Arbeiten gehen sich nicht lohnt.

    Der Flüchtlingsrat hat Frau Breitenbach seit 2017 immer wieder aufgefordert, eine rechtskonforme Gebührensatzung das Landes Berlin für LAF und ASOG Unterkünfte vorzulegen:



    fluechtlingsrat-be..._senias_10nov2017/



    fluechtlingsrat-be...ias_rechnungen_laf

    Corona ist da eine ganz schlechte Ausrede.

    • @berlin ist für alle da:

      Corona ist DIE Ausrede für Behörden, einfach mal gar nicht arbeiten zu müssen.

      Interessant ist allerdings, warum wir Bürger dennoch pünktlich unsere Steuern zahlen sollen