Michael Müller zu 100 Jahre Groß-Berlin: Ganz groß, Berlin!
Zum Auftakt zu 100 Jahre Groß-Berlin denkt der Regierende über die Rolle der Bezirke nach – und will ein 365-Euro-Jahresticket für den ÖPNV.
Es war an diesem Montag am Regierenden himself, die ganz großen politischen Linien an die Decke des repräsentativen Säulensaals im ersten Stock des Roten Rathauses zu pinseln: „Wir wollen 2020 nicht nur zugucken, wie wir 4-Millionen-Stadt werden – wir wollen Impulse geben und eine Vorreiterrolle einnehmen“, sagte Michael Müller (SPD) bei der Pressekonferenz zum Jubiläumsjahr 100 Jahre Groß-Berlin. Geplant seien unter anderem Open-Air-Kino vor dem Rathaus, Ausstellungen in den Bezirksmuseen, ein zentrales Projekt im Märkischen Museum.
Impulse geben, das könne Berlin schließlich, sagte Müller, und erinnerte an seinen Vorvorgänger Adolf Wermuth, der das Projekt Groß-Berlin 1920 maßgeblich mit in die Realität überführt hatte: die Einheitsgemeinde aus den Bezirken und in den Stadtgrenzen, wie wir sie heute kennen.
In den 1920er Jahren, sagte Müller, und das nötige ihm doch Respekt ab, habe man – „mit den damaligen technischen Möglichkeiten!“ – 40 Kilometer U-Bahn komplett neu gebaut, man habe Unternehmen wie Lufthansa, Schering und Siemens nach Berlin geholt. Man bedenke nur, sagte der Regierende für seine Verhältnisse beinahe hin- und weggerissen: die Chancen, der internationale Forschergeist, die Arbeitsplätze! Kurz: „Man verfolgte einen Anspruch: eine liebens- und lebenswerte Stadt für möglichst viele Menschen.“
Zurück in der Zukunft von damals, also im Jahr 2020, sehen die Visionen des aktuellen Regierenden für ein liebenswertes Berlin selbstverständlich ähnlich großartig aus: die (Wieder-)Entdeckung des kommunalen Wohnungsbaus sei sein Thema, und natürlich der ÖPNV. Auch wenn man heute kein Geld mehr habe für 40 U-Bahn-Kilometer, nutzte Müller die Gelegenheit, dem Volk ein anderes Zuckerl zu geben: Er habe Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bereits signalisiert, dass Berlin bei dessen Modellprojekt eines 365-Euro-Jahrestickets für Tram & Co. dabei sein wolle und sich entsprechend um Bundesmittel bewerbe. Zwar gebe es keinen Senatsbeschluss dazu, die Haltung der Koalition sei da aber „nicht strittig“.
Die Konterrevolution wird im Roten Rathaus indes nicht vorbereitet – auch wenn 100 Jahre Doppelstrukturen auf Bezirks- und Landesebene offenbart haben, wo die Schwächen von Groß-Berlin liegen. Nämlich ebendort, in ihren Doppelstrukturen und dem Reibungsverlust, der damit oft einhergeht.
Aber natürlich: „Die kommunale Struktur wird bleiben“, versichert Müller. Allerdings könne man besser organisieren, wer was entscheidet. „Und das muss nicht immer die Landesebene sein“, fügte Müller hinzu, bevor sich wieder ein Bezirksfürst aufregt. Man wolle zeigen: „Berlin, was geht?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies