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Michael Kretschmer in Sachsen gewähltSein Tanz übers Wasser

Michael Bartsch
Kommentar von Michael Bartsch

Am Ende wurde Kretschmer sogar mit absoluter Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt. Das hat er mehr den Linken zu verdanken, als seinem eigenen Verhandeln.

Dresden, 18. Dezemeber: Michael Kretschmer gibt im ersten Wahlgang im Plenarsaal im Sächsischen Landtag seine Stimme ab Foto: Robert Michael/dpa

H abemus Kretscham, ließe sich in einer Mischung aus Papstwahllatein und der slawischen Bezeichnung für eine Dorfschänke flachsen. Doch nach einer Sause mit Feiersekt war am wenigsten dem im zweiten Wahlgang wiedergewählten Amtsinhaber Michael Kretschmer (CDU) zumute.

Denn demokratietheoretisch interessante Minderheitsregierungen erweisen sich wie in Thüringen seit 2020 als höchst anstrengend und verschleißend. Nicht anders wird es in Sachsen sein, nachdem das Wagenknecht-Bündnis die Verhandlungen über eine Mehrheitskoalition gesprengt hatte. Mit nur der SPD an seiner sicheren Seite wird Kretschmer für jedes Gesetzesvorhaben für Unterstützung aus anderen Parteien werben müssen.

Mehrheitsfindung wird generell schwieriger bei AfD-Stimmenanteilen von bis zu einem Drittel. Zugleich demonstrierten die Septemberwahlergebnisse im Osten den Trend weiterer Aufspaltung in Vertreter verschiedener Partikularinteressen.

Gemeinsinn ist ein veralteter Begriff, „Landesvater“ auch. Deshalb beschwören Kandidaten für eine solche Vaterrolle nur noch die gemeinsame Verantwortung für das Land. Mit einer schwächeren CDU-Hausmacht als in Sachsen hat Mario Voigt in Thüringen gezeigt, dass daraus intensive Sondierungen mit Mehrheitsbeschaffern folgen müssen.

Ignoranz statt Strategie

Sein sächsischer Kollege Kretschmer ist zwar der umgänglichste sächsische Ministerpräsident seit 1990. Und „Demut“ ist seit dem ersten September sein Lieblingswort. Aber er ist kein Stratege, gilt wegen widersprüchlicher Äußerungen als Chamäleon. „Er läuft übers Wasser“, damit spielen Regierungskreise nicht nur auf die Unmöglichkeit seines Vorhabens, sondern auch auf dessen Fragilität an.

So hat er nicht rechtzeitig um Vertrauen geworben. Kretschmers Erbfeinde, die Grünen, kreiden ihm weniger Wahlkampfattacken als seine Ignoranz bis kurz vor der MP-Wahl an. Beim BSW hat er sich erst am Dienstagnachmittag vorgestellt.

Auf einmal erwies sich wie in Thüringen die Linke als staatstragend

Auf einmal erwies sich wie in Thüringen die Linke als staatstragend, ein Teil der Fraktion muss ihn mitgewählt haben. Ein gutes Omen, dass parteiübergreifend doch etwas geht. Mit diesen Schmuddelkindern darf ein linientreuer Christdemokrat aber natürlich eigentlich nicht. Die Mauer muss weg gegenüber Linken und Grünen, wenn Berechenbarkeit einziehen soll.

Jene gegenüber der AfD muss bleiben. Deren Hasardeure versuchten es wie in Thüringen 2020 mit einem Kemmerich-Effekt, als sie im zweiten Wahlgang ihren Landesvorsitzenden Jörg Urban plötzlich fallenließen und für den Solisten Matthias Berger von den Freien Wählern stimmten. Hauptsache, Destabilisierung. Immerhin bleiben Sachsen letztlich Neuwahlen erspart. Das Experiment Minderheitsregierung bekommt so eine Chance.

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Michael Bartsch
Inlandskorrespondent
Seit 2001 Korrespondent in Dresden für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Geboren 1953 in Meiningen, Schulzeit in Erfurt, Studium Informationstechnik in Dresden. 1990 über die DDR-Bürgerbewegung Wechsel in den Journalismus, ab 1993 Freiberufler. Tätig für zahlreiche Printmedien und den Hörfunk, Moderationen, Broschüren, Bücher (Belletristik, Lyrik, politisches Buch „System Biedenkopf“). Im Nebenberuf Musiker.
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2 Kommentare

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  • Natürlich ist die Auschließeritis in Zeiten, wo es letztlich drei Lager gibt und die AfD immer größere Stimmpotenziale dem parlamentarischen Prozess effektiv entzieht, eigentlich fehl am Platz. Das wissen auch Kretschmer und Merz, und wir werden zukünftig auch entsprechenden Pragmatismus sehen, schätze ich.

    Das sollte aber auch ein Wink an die lieben, stets schlagzeilenbegierigen Medienvertreter sein, das sie sich in Zukunft vielleicht auch mal mit einer Aussage zufrieden geben, OHNE noch die letzte Festlegung auf ganz bestimmte mögliche Koalitionspartner herauskitzeln zu müssen. Der Satz "Wir treten für unsere Inhalte an und werden NACH der Wahl entscheiden, in welcher Konstellation die am besten umzusetzen sind." ist zwar voll langweilig, muss aber dann auch einfach mal reichen können!

  • "Die Mauer muss weg gegenüber Linken und Grünen, wenn Berechenbarkeit einziehen soll.



    Jene gegenüber der AfD muss bleiben."

    soso, Und wie soll Kretschmer das bitte seinen WählerInnen erklären? Und was würde das für ein Signal bundesweit vor den Wahlen am 23. Februar setzen? Wer schwarz wählt, bekommt Grün? Das wäre doch aktive Wahlhilfe für die AfD. Bin mal gespannt wie Kretschmer sich aus diesem Dilemma befreien will ohne selbst allzuviel Schaden zu nehmen bzw der CDU grösseren Schaden zuzufügen.