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Methanlecks im PermafrostbodenKlima-Albtraum im Meer

Forscher machen vor der Eismeerküste Sibiriens eine alarmierende Entdeckung: Warmes Ozeanwasser setzt offenbar das Treibhausgift Methan frei.

Aus dem tauenden Permafrostboden soll Methan aufsteigen. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Videobilder zeigen nur harmloses Geblubber im Meer. Dahinter verbirgt sich aber möglicherweise der Beginn einer Klimakatastrophe im arktischen Eis. Eine Expedition von Wissenschaftlern der Stockholmer Universität hat vor der Eismeerküste Russlands überraschend viel Methan im Meerwasser gefunden, das von aufgetauten submarinen Permafrostböden stammt.

Die vorläufigen Ergebnisse der Swerus-C3-Expedition sind ein Hinweis darauf, dass ein Albtraum der Klimaforscher möglicherweise wahr wird: Relativ warmes Wasser lässt das Eis am Meeresgrund schmelzen, es setzt unkontrolliert große Mengen des gefährlichen Treibhausgases Methan frei.

Seit einer Woche kreuzt der schwedische Eisbrecher „Oden“ in der Laptewsee vor dem Osten Sibiriens. Das schwedisch-russische Forscherteam an Bord erlebte dabei „eine ziemliche Überraschung“, berichtet Chefwissenschaftler Örjan Gustavsson auf der Homepage der Universität Stockholm. Sie fanden große Blasen von Methangas, die aus dem gefrorenen Meeresboden in einer Tiefe von 500 bis 150 Metern aufsteigen und den natürlichen Methangehalt um das „Zehn- bis Fünfzigfache“ überschreiten, schreibt der Forscher.

Er vermute, das Gas stamme aus „Methanhydraten“, die unter dem Einfluss von Wärme instabil werden. Auf mehreren Kilometern entdeckten die Forscher über hundert Methanlecks im eisigen Meeresboden. Methan trägt 20-mal so stark wie Kohlendioxid zur Erderwärmung bei. Es entsteht bei der Vergärung von organischem Material und gelangt in großen Mengen aus Reisfeldern, Deponien oder Rindermägen in die Atmosphäre. Auch in den Permafrostböden der Arktis ist das brennbare Methan in großen Mengen gespeichert.

Auswirkungen auf den Klimawandel befürchtet

Wissenschaftler fürchten eine gefährliche „Rückkopplung“: Die Erderwärmung taut die Permafrostböden, aus denen Methan aufsteigt – und beschleunigt so den Klimawandel.

Die größten Methanvorkommen lagern allerdings in Verbindung mit Eis in „Methanhydraten“ tief unter dem Meeresboden, wo sie durch hohen Druck stabil gehalten werden. Was die Expedition jetzt offenbar entdeckt hat, ist, dass Permafrostböden unter dem Meeresspiegel tauen. Eine stärker werdende „warme Zunge“ des Golfstroms, vermutet Örjan Gustavsson, erstrecke sich inzwischen bis an den russischen Festlandssockel und lasse das Eis schmelzen.

„Dieses Eis am Meeresboden wirkt bisher als Deckel für die Methanhydrate“, sagt Hans-Wolfgang Hubberten, Permafrostexperte am Alfred-Wegener-Institut Potsdam. „Wenn es zu tauen begonnen hat, ist der Permafrost nicht mehr zurückholbar.“ Das Methan aus diesen Lagerstätten drohe dann in die Atmosphäre zu entweichen. Es sei ein relativ langsamer Prozess, erklärt Hubberten. Er könne aber bis zum Ende dieses Jahrhunderts durchaus heftige Auswirkungen auf das Weltklima haben.

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10 Kommentare

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  • Erstaunlich, daß niemand hier mal Frank Schätzing's „Der Schwarm“ erwähnt. Fiktion klar, aber nicht ohne jede Recherche.

    • @FranKee 【Ƿ】:

      Exakt das war gerade mein allererster Gedanke zum Artikel (noch vor "Sch....", "F..." und anderen spontanen Ausdrücken der Fassungslosigkeit ;-))

  • Wenn man einige Kommentare liest, dann könnte man auf die Idee kommen, dass es besser wäre, wenn noch mehr Methan in die Erdatmosphäre entweichen würde, dann löste sich das Problem auf natürlichem Wege.

    • 3G
      3618 (Profil gelöscht)
      @Lindner Lutz:

      Wirklich.

      Man ist immer wieder fassungslos über eine solche Ignoranz.

      Wenn's wenigstens gezielt nur die träfe und nicht die Kinder und das Leben der Erde.

  • Entwarnung: Da Kohlendioxid nicht zur Erderwaermung beitraegt(Beweis: die letzten 17 Jahre), wird es das Methan auch nicht tun, denn 20 mal 0 ist auch 0.

    Methan kann aber in weiterer Zukunft unsere Energieprobleme loesen, da unermessliche Erdgasvorkommen auf ihre Erschliessung warten.

  • Seit langem ist bekannt, dass vor allem die Permafrostböden Sibiriens immer mehr Methan freisetzen, sodass es recht seltsam erscheint, dass nun dieses Entsetzen aufkommt über das hochgiftige und klimazerstörende Methan, das aus dem Meer entweicht.

     

    Inzwischen sitzen unsere gewählten Volksvertreter in ihren bequemen Sesseln in klimatisierten Gebäuden, neben sich Getränke satt, denken nicht weiter als bis zum Ende ihrer Nasenspitzen und beschließen, weitere Belastungen unseres Weltklimas zu akzeptieren - mit Rücksicht auf möglicherweise sinkende Gewinne. Wir sehen nur, was wir sehen wollen, alles andere blenden wir aus.

     

    Wir spezialisieren alles so bis ins kleinste Detail, dass am Ende keiner mehr verantwortlich ist. Jeder sieht nur noch so angestrengt auf immer noch eingeengtere Spezial-Fach-Kenntnisse, dass der Blick und die Verantwortung für das Ganze längst verloren gegangen sind. Dafür gibt es einen Sammelbegriff - Kurzsichtigkeit.

     

    Wir wollen die klügste Spezies dieses Planeten sein und sind nicht fähig, die primitivsten Maßnahmen zum Schutz (nicht nur) unserer Welt und der Zukunft und des Lebens unserer Kinder zu ergreifen!

     

    Soviel Dummheit hat es nicht anders verdient, als in der Zukunft eine kleine vergessene Episode im Dasein des Planeten Erde zu werden.

    • @noevil:

      Bravo. Dem kann ich nur beipflichten. Ich denke schon lange, es ist Zeit, dass die Menschheit endlich vom Planeten Erde verschwindet. Sie richtet nur Schaden, Chaos, Zerstörung an, ist nicht lernfähig, dafür macht- und geldgeil.

    • @noevil:

      so lange nicht jeder einzelne von uns die intelligenz des herzens und deren bewussten anwendung nicht praktiziert wird sich nichts ändern. klugheit ist uns dabei eher im weg. manche empfinden sich als schlau aber genau durch diese schläue wird dieses und jenes entschieden. verstandesmässiges wissen in verbindung mit der sensibilität des herzens ist mum von den menschen gefordert! das geht aber nur, wenn man sich aus den unbewussten verstrickungen des egos löst und auf einer tieferen ebene in sich die verantwortung übernimmt.

  • Möglicherweise handelt es sich aber auch einfach nur um harmloses Geblubber im Meer.

    • @lagatagris:

      "Sie fanden große Blasen von Methangas, die aus dem gefrorenen Meeresboden in einer Tiefe von 500 bis 150 Metern aufsteigen und den natürlichen Methangehalt um das „Zehn- bis Fünfzigfache“ überschreiten, schreibt der Forscher."

       

      So, ne?