Methan-Emissionen steigen an: Lasst den Rinderwahnsinn
Der Ausstoß des Treibhausgases Methan wächst dramatisch. Ein Großteil ist menschengemacht, unter anderem durch die Viehzucht.
Das “Global Carbon Project“ bringt nun ein bisschen mehr Licht ins Dunkel. In zwei Studien hat die Vereinigung von Klimawissenschaftler:innen verschiedener Forschungsstellen weltweit neue Ergebnisse vorgestellt, am heutigen Mittwoch erschienen in den Fachmagazinen Earth System Science Data und Environmental Research Letters.
Die schlechte Nachricht vorweg: Die Emissionen liegen auf einem Rekordhoch. „Methan ist für 23 Prozent der globalen Erwärmung durch Treibhausgase verantwortlich“, warnt Pep Canadell von der australischen Forschungsbehörde Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation.
2017 gelangten knapp 600 Millionen Tonnen Methan in die Erdatmosphäre. Schätzungen zufolge ist der Trend auch 2018 und 2019 nicht abgerissen. Gegenüber dem jährlichen Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2006 habe sich der jährliche Ausstoß um rund 50 Millionen Tonnen erhöht, heißt es in der Studie. Das entspricht einem Zuwachs von neun Prozent. Die Konzentration von Methan in der Luft sei jetzt rund 2,5-mal so groß wie vor der Industrialisierung.
Genug Methan für vier Grad Erderhitzung
Diese Werte sind laut „Global Carbon Project“ nicht im Einklang mit dem, was die Welt sich mit dem Paris-Abkommen vorgenommen hat, nämlich die Erderhitzung möglichst bei 1,5 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten zu begrenzen. Stattdessen passen sie zu einem pessimistischeren Szenario des Weltklimarats, das auf eine rund vier Grad wärmere Erde hinausläuft.
Jenseits der 1,5 Grad wird es immer wahrscheinlicher, dass Kippelemente im Erdsystem aktiviert werden, die die Klimakrise weiter befeuern – unter anderem durch das Freisetzen von noch mehr Methan, das momentan im Permafrost gebunden ist. Taut dieser bislang dauerhaft gefrorene Boden auf, kann das hochwirksame Treibhausgas in die Atmosphäre steigen.
Dass der aktuelle Methan-Zuwachs schon auf diesen Prozess zurückzuführen ist – immerhin hat sich die Erde bereits um mehr als ein Grad erwärmt –, konnten die Wissenschaftler:innen nicht feststellen. Trotzdem stammten der Studie zufolge mehr als 60 Prozent der Methan-Emissionen von 2017 aus der menschlichen Wirtschaft, nicht einfach aus der Natur.
Dass es so schwer ist, die Herkunft von Methan in der Atmosphäre festzustellen, liegt an dessen diffusen Quellen. Anders als Kohlendioxid kommt es nicht größtenteils aus leicht bestimmbaren Quellen wie Schornsteinen und Auspuffen. Es entweicht zum Beispiel aus Sümpfen, Vulkanen, Rindermägen, Reisfeldern, Gasfeldern, Deponien und Pipeline-Lecks.
Den Studienautor:innen haben mehrere Berechnungsmethoden kombiniert. Ihnen zufolge ist der massive Anstieg der Methan-Emissionen in den vergangenen Jahren vor allem auf die fossile Energiegewinnung, die Viehzucht und Deponien zurückzuführen.
Vorbild Europa
Drei Weltregionen verzeichneten einen besonders starken Anstieg beim Methan-Ausstoß: Afrika sowie der Nahe Osten, China sowie Südasien und Ozeanien. Haupttreiber sind dort vor allem die Nutzung fossiler Brennstoffe und die Viehzucht.
Auch die USA tragen zu der Emissionssteigerung bei. Quell des Übels ist dort vor allem die Förderung und der Transport von Erdgas.
Europa scheint laut der Studie die einzige Region zu sein, in der die Methanemissionen zurückgegangen sind. „Politische Richtlinien und ein besseres Management haben die Emissionen aus Deponien, Gülle und anderen Methan-Quellen hier in Europa reduziert“, meint Marielle Saunois von der französischen Université de Versailles Saint-Quentin. „Außerdem essen die Menschen weniger Rindfleisch und mehr Geflügel und Fisch.“
Die Haltung von Rindern und anderen Wiederkäuern verursacht fast so viel Methan wie die fossile Industrie, zeigt die Studie. Rob Jackson von der US-amerikanischen Stanford University warnt davor, diese Methan-Quelle zu unterschätzen. „Die Leute witzeln über rülpsende Kühe, ohne zu merken, wie große die Quelle eigentlich ist“, sagt er.
Bei den Kohlendioxid-Emissionen gab es infolge des Corona-Lockdowns zwischenzeitlich Emissionseinsparungen. Das Global Carbon Project hatte sich im Frühjahr auch diese angeguckt. Anfang April lag der CO2-Ausstoß demnach im weltweiten Schnitt um 17 Prozent unter dem 2019er Niveau – schon zwei Monate später war er der Effekt allerdings fast wieder verpufft.
Dass es für Methan auch nur eine kleine Delle geben wird, hält Jackson für unwahrscheinlich, weil die fraglichen Wirtschaftszweige kaum betroffen seien. „Immerhin heizen wir noch unsere Häuser und Gebäude und die Landwirtschaft wächst weiter.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit