die drei fragezeichen
: „Nicht alle können sich unter ‚Starkregen‘ etwas vorstellen“

Bei Unwetterlagen muss schnell und breit informiert werden, sagt Meteorologin Inge Niedek. Doch müsse sich auch ein Problembewusstsein entwickeln

taz: Frau Niedek, wenn mir an meinem Wohnort eine Unwetterkatastrophe droht, wie sollte ich idealerweise davon erfahren? Ich bin ja nicht die ganze Zeit am Handy auf der Suche.

Inge Niedek: Das ist in der Tat ein großes Problem. Auf das Mobilfunknetz alleine sollte man sich nicht verlassen. Das kann zusammenbrechen wie alles andere. Vielerorts auf dem Land ist der Empfang ohnehin nicht optimal. Das erste Mittel der Wahl ist da für mich zum Beispiel immer noch das Radio. Es sollte ein Kommunikationsmittel sein, das notfalls auch ohne Strom vom Netz auskommt. Auf jeden Fall ist es äußerst wichtig, dass der Rundfunk rasch reagiert. Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit beim ZDF, ich habe damals auch die Idee aufgebracht, bei Unwetterlagen schneller zu warnen. Damals, in den 90er Jahren, war das dort noch kein großes Thema. Das änderte sich Ende 1999 mit dem Orkantief „Lothar“.

Fehlt es uns hierzulande noch an Bewusstsein dafür, wie verheerend Wetterkatastrophen sein können?

Dieses Bewusstsein wächst allmählich. Mit jedem Unwetterereignis steigen die Erkenntnisse. Ein großes Problem ist aber, wie Warnungen in der Bevölkerung aufgenommen werden. Der Deutsche Wetterdienst hat ja die Hoheit, Unwetterwarnungen herauszugeben. Das macht er aus meiner Sicht gut und gewissenhaft. Die Menschen müssen auch lernen, die Unwetterwarnungen richtig zu interpretieren. Das ist ein Lernprozess.

Was ist nach der Katastrophe in Westdeutschland die konkrete Lehre?

Man muss überlegen, wie man die Leute gezielter über mögliche Auswirkungen informiert. Nicht alle können sich unter „Starkregen“ etwas vorstellen. Ich muss also unter Umständen den Hinweis geben: Das kann schwerwiegende Folgen haben! Auch dann, wenn man sich noch nicht sicher ist. Zudem müssen Informationen über Ereignisse, wenn sie denn eintreten, schneller verbreitet werden. Möglichst über mehrere unabhängige Kanäle. Und schließlich müssen wir alle unser Bewusstsein dafür schärfen, wie ernst eine solche Lage sein kann. Interview: pwe

Inge Niedek,Jahrgang 1955, war bis 2015 TV-Meteorologin beim ZDF, ist heute stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft und berät den Deutschen Wetterdienst.