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Meteorologin Raphaela VogelTropfen für Tropfen

Die Hamburger Meteorologin Raphaela Vogel erforscht die Rolle, die Wolken und Regen im Klimasystem haben. Dabei stößt sie auch auf gute Nachrichten.

Schaut oft nach oben, wenn sie draußen ist: Raphaela Vogel Foto: MPI-M, Diallo

Osnabrück taz | Schönwetterwolke. Hundertmal hat jeder von uns das schon gesagt. Klar, dieser weiße Tupfer an sonnigen Tagen. Bildet sich irgendwann tagsüber, meist nicht allein, und am Abend ist er wieder weg. Geregnet hat es zwischendrin meist nicht; schönes Wetter eben. Alltag, hübscher Anblick, nichts Besonderes.

Wer mit der Meteorologin Raphaela Vogel spricht, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Meteorologischen Institut der Uni Hamburg, Fachbereich Erdsystemwissenschaften, Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit, verwendet dieses Wort fortan mit größerem Bedacht.

Vogel erforscht die Rolle, die Wolken im Klimasystem haben. Bei ihr dreht sich alles um Wolken und Regentropfen. Genaues Wissen über Wolken und Regen ist wichtig für Klimarechenmodelle. Und Klimarechenmodelle sind wichtig in Zeiten, in der Seen austrocknen, Wälder brennen, Arten sterben, Permafrost schmilzt.

„Wer denkt schon, dass Regentropfen, die nie auf der Erde ankommen, sondern im Fallen verdunsten, einen wichtigen Einfluss aufs Klima haben“, sagt Raphaela Vogel der taz. „Zu verstehen, was in der Natur abgeht, ist wirklich faszinierend.“

Der European Research Council, von der Europäischen Kommission zur Förderung von Grundlagenforschung eingerichtet, hat Vogel kürzlich für ihre Arbeit den „Starting Grant“ zuerkannt, gerichtet an Nachwuchsforscher*innen: 1,5 Millionen Euro stehen ihr nun für den Aufbau einer eigenen Arbeitsgruppe zur Verfügung, für einen Zeitraum von fünf Jahren.

Auch Regentropfen, die nie auf der Erde ankommen, sondern schon im Fallen verdunsten, haben einen wichtigen Einfluss auf das Klima

Zwei DoktorandInnen möchte Vogel anstellen, plus einen Postdoc. „Am besten mit verschiedenen Fachhintergründen“, sagt sie. „Aus der Physik, der Meteorologie, der Klimaforschung.“ Zu deren Arbeit werden dann auch Modellierungen gehören, Simulationen am Computer. „Da sind dann gute IT-Kenntnisse gefordert“, sagt Vogel und erzählt von LUMI, dem schnellsten Supercomputer Europas, im finnischen Kajaani.

Vogel ist weit vernetzt. Auch auf Daten des Barbados Cloud Observatory greift sie zurück, eines Gemeinschaftsprojekts des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie und des Karibischen Instituts für Meteorologie und Hydrologie. Seit 2010 untersucht es tropische Kumulus-Wolken und Passatwinde, mit Wetterradar und per Laser.

Einmal die Woche sieht ein Mitarbeiter dort nach dem Rechten; die Daten lassen sich fernüberwachen. „Die Forschung ist sehr kooperativ“, sagt Vogel und erzählt vom automatischen Fensterputzsystem, das eine störungsfreie Beobachtung des Himmels gewährleistet. „Eine Nutzungskonkurrenz gibt es nicht. Alle Daten werden für alle geteilt. So lassen sich Ressourcen bündeln.“

Das Observatorium liegt an der Ostspitze der Insel Barbados, auf der rauen Klippe am Deebles Point. „Von dort aus lassen sich die Wolken über dem Ozean gut beobachten“, sagt Vogel. Stimmt, besser geht es nicht: Östlich von Barbados ist nur der Atlantik, und, nach Tausenden Seemeilen, die Küste von Afrika. Ein „Schatz“ von Rohdaten sei seit 2010 erfasst worden, sagt Vogel. „Den analysieren wir jetzt mit neuen Techniken und Methoden.“

Vogel befasst sich mit Verdunstung von Niederschlag, mit dem Durchmesser von Tropfen und der Geschwindigkeit ihres Fallens. „Vieles dabei ist bis heute noch nicht gut verstanden“, sagt sie. Eines ihrer Themen: Der Einfluss der Erd­erwärmung auf das Vorkommen niedriger Passatwind-Kumuluswolken. Das Problem: Je weniger Wolken, die einfallende Sonnenstrahlung reflektieren, desto stärker die Erwärmung der Erde. Je präziser sich die Reaktion dieser Wolken auf die Erderwärmung vorhersagen lässt, desto genauer werden die Klimamodelle und Klimaprognosen. Über dem Meer der Subtropen sind diese Wolken besonders ausgeprägt – deshalb der Beobachtungsstandort Barbados am Rand der Karibik, auf den Kleinen Antillen.

Ende 2022 hat Vogel im Fachjournal „Nature“ als Hauptautorin die Studie „Strong cloud–circulation coupling explains weak trade cumulus feedback“ veröffentlicht. Sie gibt ein wenig Hoffnung, denn sie spricht von „a weak trade cumulus feedback“. Diese Wolken sind also nicht so klimasensitiv wie bisher angenommen, reagieren weniger empfindlich auf äußere Einflüsse als gedacht. Eine gute Nachricht: Die Wolkenbedeckung scheint relativ stabil.

Für Leugner der Klimakrise, die versuchen, aus Untersuchungen wie der ihren Kapital zu schlagen, hat Vogel kein Verständnis. „Das ist ein sehr komplexes Thema“, sagt sie. „Wir sind Wissenschaftler*innen. Wir zeigen, wie wir die Natur verstehen, nach unserem derzeit besten Wissen.“ Von Social-Media-Debatten hält sie sich fern.

Und dann erzählt sie von Cold Pools, einem anderen ihrer Themen. „Wenn Regentropfen verdunsten, kühlt sich die Luft ab und wird Richtung Boden beschleunigt; kalte Luft strömt zur Erde. Breitet sie sich großflächig über dem Boden aus, findet sich am Himmel über ihr meist keine Wolke mehr; Sonnenstrahlung kann ungehindert die Erde erreichen. Cold Pools haben einen Durchmesser von bis zu 200 Kilometern: Viele Wolken an den Rändern, wenige im Inneren. Vogel will herausfinden, wie sie funktionieren, ob es sie in Zukunft häufiger gibt.

Ohne Wolken kein Leben

Auf Geo-Engineering, großflächige technische Eingriffe in geochemische Kreisläufe, zielt diese Forschung nicht. „Bei Cold Pools wäre das ohnehin weder machbar noch sinnvoll“, sagt Vogel. „Die existieren ja nur zwischen 30 Minuten und zwei Stunden lang. Das würde nicht reichen, um auf sie zu reagieren. Außerdem ist es unnötig, denn sie verschwinden ja schnell von selbst.“ Gut so, denn Eingriffe dieser Art ins Wetter und Klima bergen unabschätzbare Risiken: Niemand kann genau vorhersagen, welche Konsequenzen sie haben.

Regenwetter. Für die meisten von uns ist das ein Grund, im Haus zu bleiben. Oder den Schirm aufzuspannen. Oder zu fluchen, dass dann alles so deprimierend grau aussieht. Ohnehin schauen viele von uns viel zu selten Richtung Himmel. Ja, da sind ein paar Wolken, oder eben auch nicht. Ist eben so. Alltag, nichts Besonderes. Aber so zu denken, ist schade. Uns entgeht dabei etwas. Etwas Wichtiges. Denn ohne Wolken kein Leben.

Raphaela Vogel schaut oft nach oben, wenn sie draußen unterwegs ist, und das nicht nur beruflich. „Es ist hilfreich, die Wolken lesen zu können“, sagt sie. Vogel wandert gern, und beim Wandern ist es wichtig zu wissen, wie das Wetter wird. Auch in Museen ist Vogel von Wolken fasziniert: „Es ist sehr interessant, wie intensiv viele Maler sich mit Wolken auseinandergesetzt haben.“

Für Vogels Wetter- und Klimamodelle spielen Computer eine wichtige Rolle. Aber, sagt Vogel: „Computersimulationen allein reichen nicht. Man muss beobachten können.“ Es gelte, „besser zu verstehen, wie unser Klimasystem funktioniert“, sagt Uni-Präsident Hauke Heekeren, stolz auf Vogels EU-Förderung. „Davon profitieren wir alle und die Gesellschaft.“

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1 Kommentar

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  • Na ja, so neu ist das Ganze ja nun wahrlich nicht. Großes Problem: zu viele selbst ernannte Fachleute, die meinen, mit 15% Wissen, alles zu wissen. Allein der Unterschied zwischen Verdampfen und Verdunsten ist vielen nicht klar, oder der von Glatteis und Eisglätte. Dafür wollen aufmersamkeitsgeile Wetterpropheten durch Horrormeldungen (40 cm und -40) regelmäßig ihr EGO aufpolieren. Die Gefahr besteht bei der Dame sicher nicht. Mehr Allgemeinbildung kann nicht schaden und mehr Beobachtung der Natur auch nicht. Aber, das Smartphon verhindert es. Mir tun alle Lehrkräfte leid, die heuzutage spannend unterrichten sollen.