Messermorde in Frankreich: Fragen und Vorurteile

Auf der Suche nach Ursachen für den Messerangriff durch einen radikalisierten Kollegen auf Pariser Polizisten ergeht sich Frankreich in Vorurteilen.

Polizisten patroullieren vor der Pariser Polizeiwache nach dem Angriff

Nach dem Angriff: Polizisten patroullieren vor dem Tatort, einer Pariser Polizeiwache Foto: dpa

Wenn ein Polizist Kollegen und Kolleginnen in der vermeintlich sicheren Festung der Polizeipräfektur mit einem Messer attackiert, ist das besonders schockierend. Die Tat von Paris wirft Fragen auf: Wie konnte es kommen, dass dieser angeblich so unscheinbare, aber heimlich zuerst zum Islam konvertierte und danach zum Staatsfeind radikalisierte Mickael H. nicht früher und rechtzeitig aufgefallen war? Und warum wurde „so jemand“ überhaupt in einem neuralgischen Informatikzentrum des polizeilichen Nachrichtendiensts beschäftigt?

Für die französische Opposition und die Medien müssen da diverse Kontrollmechanismen total versagt haben. Namentlich bei der Anstellung, aber auch später bei der Aufsicht durch die Vorgesetzten, mit denen der Messerstecher in Konflikt stand. Für einen Teil der Kritiker geht es da allein schon um die Tatsache, dass dieser vor nicht allzu langer Zeit konvertierte.

Das hätte, ihrer Meinung nach ein Alarmsignal sein sollen, auch wenn sie meistens dann relativierend hinzufügen, natürlich sei es an sich kein Verdachtselement, zum Islam zu konvertieren oder im öffentlichen Dienst ein gläubiger Muslim zu sein, aber …

Aber, eben: Das Vorurteil kommt nicht von ungefähr und wird durch diese dramatische Bluttat, der vier Polizeimitarbeiter zum Opfer fielen, zwangsläufig bestärkt. In vielen Köpfen keimt sogleich die Vorstellung einer „fünften Kolonne“ von Dschihadisten im Hauptquartier, das den polizeilichen Kampf gegen Terrorismus führen soll.

Das zweite Vorurteil in diesem Fall ist nicht minder verhängnisvoll: Der weitgehend gehörlose und stumme Mickael H. erhielt seine Stelle nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Behinderung. In Frankreich muss die öffentliche Verwaltung sechs Prozent der Arbeitsplätze für Behinderte reservieren. Gut so. Doch seine Behinderung, die einen seinen Kenntnissen entsprechenden Aufstieg beeinträchtigte, wurde auch zu einem Grund seiner Wut und Frustration. Wie gefährlich Vorurteile und die Reaktionen auf sie sind, darüber kann im Fall H. nur noch spekuliert werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.