Merz`Antrittsbesuch in Polen: Erleichterte Glückwünsche aus Warschau
Die Kanzerlerwahl wurde auch von Polens Regierung mit Spannung verfolgt. Aus gutem Grund. An diesem Mittwoch macht Merz dort seine Aufwartung.

Kurz zuvor hatte Bartosz Wielinski, der Vize-Chefredakteur der linksliberalen Gazeta Wyborcza, ebenfalls auf „X“ getwittert, dass angesichts der Niederlage von Merz im Bundestag Polen wie eine Insel der Stabilität in Europa wirke.
Schon am ersten Arbeitstag der neuen Regierung in Berlin kommen Bundeskanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul (beide CDU) nach Polen. Wadephul nimmt an einem EU-Außenministertreffen teil, das für Mittwoch und Donnerstag in Warschau angesetzt ist. Polen spielt zurzeit in der EU eine wichtige Rolle, da es noch bis Juni die sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft innehat und viele EU-Treffen in Polen organisiert werden.
Merz hingegen hat sich ganz oben auf die Aufgabenliste gesetzt, die Beziehungen Deutschlands zu den beiden wichtigsten Nachbarstaaten – Frankreich und Polen – zu verbessern. Am Mittwochmorgen macht er also zunächst Präsident Emmanuel Macron in Paris seine Aufwartung, steigt danach direkt wieder ins Flugzeug und landet zwei Stunden später in Polens Hauptstadt Warschau.
Niedrige Erwartungen
Dort will er mit Premier Donald Tusk die aktuell wichtigsten Themen besprechen: Migration, Sicherung der Nato-Außengrenze und der EU-Binnengrenze, weitere Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine sowie eine Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks – ein Gesprächsformat zwischen Deutschland, Polen und Frankreich, das in der EU Themen setzen und durchsetzen soll.
In Warschau werden die Erwartungen an einen „Neuanfang“ in den deutsch-polnischen Beziehungen bewusst niedrig gehalten. Zu groß war die Enttäuschung nach dem Regierungswechsel im Dezember 2023 in Polen, als die nationalpopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) abgewählt wurde, die Mitte-links-Koalition von Donald Tusk die Macht übernahm – und der zunächst euphorisch gefeierte Neustart in den deutsch-polnischen Beziehungen schon nach kurzer Zeit an überhöhten Erwartungen Warschaus und undiplomatischem Schweigen Deutschlands scheiterten.
Zu einem ersten Konflikt zwischen Merz und Tusk könnte der forcierte Grenzschutz an den deutschen Grenzen führen, den Merz und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) sofort nach dem Regierungsübernahme der CDU/CSU-SPD-Koalition einführen wollen. Polens Regierung befürchtet die Zurückweisung hunderter, wenn nicht tausender Asylsuchender direkt an der deutsch-polnischen Grenze.
Dies könnte die nationalpopulistische Oppositionspartei PiS für sich ausnutzen, um ihre antideutsche Propaganda zu verstärken und so Stimmung gegen Rafał Trzaskowski zu machen. Er wird als Favorit unter den Präsidentschaftskandidaten gehandelt. Die Wahlen finden am 18. Mai statt. Eine Verschärfung der Grenz- und Migrationssituation an der Ost- oder Westgrenze Polens ist daher das Letzte, was die Tusk-Partei Bürgerplattform (PO) und ihr Kandidat Trzaskowski jetzt gebrauchen können.
Stundenlange Staus
Aus diesem Grund kritisierte Jan Tombinski, der Geschäftsträger in der polnischen Botschaft in Berlin, schon vor Tagen gegenüber dem Magazin Politico, dass schon die derzeitigen Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze „ein Problem für den täglichen Grenzverkehr und das Funktionieren des EU-Binnenmarktes“ seien.
Seit die Ampelkoalition die verschärften Grenzkontrollen eingeführt habe, komme es regelmäßig zu stundenlangen Staus, die den Warenverkehr behinderten. „Wir wünschen daher nicht, dass es zu einer Verschärfung der Grenzkontrollen kommt“, so Tombinski.
In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ vom vergangenen Sonntag wischte Dobrindt die Argumente Polens beiseite, als seien diese völlig irrelevant für die künftige Merz-Regierung. Dabei hatte Tombinski sogar noch erläutert, dass Polen die EU-Ostgrenze vor allem zu Belarus und dem Oblast Kaliningrad so intensiv wie möglich schütze, es den polnischen Bürgern aber nur schwer zu vermitteln sei, wieso Deutschland an seinen Grenzen die Schengenprinzipien und damit die Freizügigkeit zumindest teilweise außer Kraft setze.
Das Problem besteht darin, dass Polen nicht in der Lage ist, die ganze 400 Kilometer lange Grenze nach Belarus lückenlos zu kontrollieren, da zwischen beiden Ländern ein circa 200 Kilometer langer Streifen voller Sümpfe, verwachsener Urwälder und wilder Wasserläufe liegt. Über dieses Schlupfloch treiben belarussische Sicherheitskräfte immer wieder Migranten aus Asien und Afrika nach Polen, um die EU zu destabilisieren.
Präsident Andrzej Duda regte unlängst an, dass deutsche Grenzpolizisten gemeinsam mit polnischen an der EU-Außengrenze Patrouille gehen und so die Grenze schützen könnten. Möglicherweise greifen Merz und Tusk diesen Vorsachlag in ihren ersten gemeinsamen Gesprächen auf.
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