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Merkels Kurs in der FlüchtlingspolitikSanktionen für Flüchtlingskritiker

Merkel fordert, Geld aus EU-Hilfsfonds ans Engagement bei der Aufnahme von Geflüchteten zu knüpfen. Das zielt auf osteuropäische Staaten wie Ungarn.

Fast volles Haus: Merkel vor dem Bundestagsplenum über die europäische Flüchtlingspolitik Foto: ap

Berlin taz | Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen, stärker unter Druck setzen. Die Verteilungskriterien milliardenschwerer EU-Hilfsfonds sollten „künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Migranten widerspiegeln“, sagte Merkel am Donnerstag im Bundestag. Regionen, die Flüchtlinge aufnehmen und integrieren, bekämen also mehr Geld aus EU-Töpfen. Einige Staaten in Osteuropa verweigern sich hartnäckig einer Flüchtlingsverteilung in der EU.

Eine Kopplung finanzieller Sanktionen an die Flüchtlingsaufnahme hatte auch der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz im Bundestagswahlkampf 2017 gefordert. Merkel war damals noch dagegen gewesen. Die Kanzlerin gab gestern eine Regierungserklärung zum informellen EU-Gipfel in Brüssel ab. Dort wird es vor allem um die Finanzplanung der EU nach dem Austritt Großbritanniens gehen.

Das Asylsystem müsse „krisenfest und endlich auch solidarisch sein, gerade auch was die faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU angeht“, sagte Merkel. Dies sei bisher das „unbefriedigendste Kapitel der europäischen Flüchtlingspolitik“. Merkel forderte außerdem einen besseren Schutz der 14.000 Kilometer langen EU-Außengrenzen. Die Personalausstattung der Grenzschutzagentur Frontex müsse „massiv verbessert“ werden.

Der Austritt Großbritanniens aus der EU sei auch die Chance, die Finanzen der Union auf den Prüfstand zu stellen, betonte Merkel. Der Brexit voraussichtlich im Frühjahr 2019 reißt im EU-Haushalt eine Lücke von bis zu 14 Milliarden Euro pro Jahr. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger will die Hälfte davon einsparen, den restlichen Betrag durch höhere Zahlungen der verbleibenden 27 EU-Staaten decken. In dem Koali­tionsvertrag von CDU, CSU und SPD für eine neue Große Koalition heißt es: „Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit.“

Reaktionen der Fraktionschefs

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland nannte Merkels Vorstoß zur Flüchtlingsaufnahme „politische Erpressung“. Die osteuropäischen Länder ließen sich in ihrer Haltung zur Flüchtlingsverteilung kaum umstimmen, sagte er voraus. „Die Nationen wollen selbst bestimmen, wen sie in ihre Gemeinschaft aufnehmen“, sagte er. „Es gibt keine nationale Pflicht zur Buntheit.“

SPD und Linke kritisierten die Ungleichheit der Lebensverhältnisse in Europa. Jene gefährde den Zusammenhalt, sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Die Unterschiede seien zum Teil enorm. Die Arbeitslosigkeit schwanke zwischen 2,3 Prozent in Tschechien und bis zu 20,7 Prozent in Griechenland. Nahles forderte gemeinsame Regeln, damit es einen Rahmen für Mindestlöhne und funktio­nierende Sozialsysteme in der EU gebe. Bezahlen müssten existenzsichernde Hilfen aber die einzelnen Mitgliedsstaaten.

Das Asylsystem muss krisenfest und endlich auch solidarisch sein

Angela Merkel

Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf der Bundesregierung vor, durch ihre Sparpolitik während der Schulden- und Finanzkrise die soziale Lage in den Krisenländern verschlimmert zu haben. Merkel trage maßgeblich die Verantwortung dafür, dass die Lage in Europa so desolat sei, sagte Bartsch. „‚Haushalte vor Menschen‘ ist Ihre Herangehensweise.“

FDP-Fraktionschef Christian Lindner sagte an die Adresse Merkels, dass Frankreich für Reformen in Europa „zum Taktgeber avanciert“ sei. Ein schlichtes Echo auf Pariser Ideen könne aber nicht die deutsche Haltung sein. Lindner beklagte, er habe dazu eine konkrete Position erwartet, in dieser Frage aber nichts von Merkel gehört.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf Merkel vor, ihre fehle bei Europa Leidenschaft, Gestaltungswille und Zukunftsdrang. Genau das gebe europaskeptischen Nörglern und Spaltern Oberwasser. „Das ist doch mit Europa wie in einer Beziehung.“ Sie mache Arbeit, müsse neu begründet werden, sei niemals fertig. (mit dpa)

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11 Kommentare

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  • Ach ja, die Kanzlerin. Jetzt will sie für eigenes Versagen im Umgang mit der Migrationsproblematik andere Regierungen, welche bekennend und konsequent im nationalen Interesse handeln, bluten lassen.

    Das kann man einfach nicht mehr ernst nehmen. Und die, so plump mit Sanktionen Bedrohten, werden es auch nicht.

  • „SPD und Linke kritisierten die Ungleichheit der Lebensverhältnisse in Europa. Jene gefährde den Zusammenhalt, sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Die Unterschiede seien zum Teil enorm. Die Arbeitslosigkeit schwanke zwischen 2,3 Prozent in Tschechien und bis zu 20,7 Prozent in Griechenland. Nahles forderte gemeinsame Regeln, damit es einen Rahmen für Mindestlöhne und funktio¬nierende Sozialsysteme in der EU gebe. Bezahlen müssten existenzsichernde Hilfen aber die einzelnen Mitgliedsstaaten.“

     

    Es gibt den Art. 34 der Grundrechtecharta, der in vielen EU Mitgliedstaaten nicht hinreichend gut umgesetzt wird. Die einzelstaatlichen Regelungen sind dabei nachrangig, denn es geht um menschenwürdiges Dasein. Es geht um die Menschenwürde. Bis ein einzelner Bürger seine Beschwerde beim EU Gericht eingereicht bekommen würde(v.a., weil zumeist zuerst der nationale Rechtsweg ausgeschöpft werden muss) , müssen viel zu viele Jahre vergehen. Deswegen müssen Politiker und die Europäische Kommission handeln.

     

    EU muss nicht gegen „Wirtschaftsflüchtlinge“ vorgehen! EU muss gegen die einzelnen Mitgliedstaaten hart vorgehen, die zur „Wirtschaftsflucht“ zwingen!

  • „AfD-Fraktionschef Alexander Gauland nannte Merkels Vorstoß zur Flüchtlingsaufnahme „politische Erpressung“. Die osteuropäischen Länder ließen sich in ihrer Haltung zur Flüchtlingsverteilung kaum umstimmen, sagte er voraus.“

     

    Dem kann man überhaupt nicht zustimmen! Auch auf der Europäischen Ebene (innerhalb der EU) müssen gemeinsame Verträge seitens der Mitgliedstaaten eingehalten werden!

  • "Eine Kopplung finanzieller Sanktionen an die Flüchtlingsaufnahme hatte auch der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz im Bundestagswahlkampf 2017 gefordert."

     

    SPD hätte auch die Zuständigkeiten zwischen Frau Nahles, Herrn Schulz und Herrn Gabriel aufteilen können. Jetzt sehen wir, dass ein sehr guter Politiker unserem Land weiterhin erfolgreich hätte dienen können.

  • „Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will EU-Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen, stärker unter Druck setzen. Die Verteilungskriterien milliardenschwerer EU-Hilfsfonds sollten „künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Migranten widerspiegeln“, sagte Merkel am Donnerstag im Bundestag.“

     

    Wir müssen endlich weg von einer Wirtschaftsunion (Einzelstaaten und Unternehmen mit wirtschaftlichen Interessen = berechtigte Kritik) hin zu einer Solidarischen Union gegenüber jedem Mitglied, wo für alle Mitglieder der einzelne Mensch und seine Würde im Mittelpunkt jeglichen Handelns steht. Rechtliche Grundlage haben wir bereits, die alle Mitglieder akzeptierend unterschrieben haben, das ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

     

    Ja, es gibt die Möglichkeit der gemeinsamen Abstimmungen. Aber wir haben auch die Grundrechtecharta, die stets und von jedem Mitgliedstaat eingehalten werden muss und die Europäische Union, die das EU Recht durchsetzen kann und muss.

     

    Sanktionen, gut oder schlecht?

     

    Brexit! Es kann auch Frexit geben. Welche Vorteile hat die EU, die die Nato nicht hat? Wenn nötig, soll man auch ein Paar Mitgliedstaaten aus der EU entlassen, damit die Europäische Union gerettet wird!

  • "Merkel forderte außerdem einen besseren Schutz der 14.000 Kilometer langen EU-Außengrenzen."

    Oja, für effektiveren Grenzschutz kann Deutschland auf historische Ressourcen zurückgreifen oder auch die USA nach ihren Grenzschutzerfahrungen in Bezug auf Mexiko befragen.

    Aber auch die osteuropäischen Länder zeigen da "Talent", wie hier nachzulesen ist: https://www.proasyl.de/news/fluechtlinge-werden-auf-der-balkanroute-immer-noch-opfer-von-brutaler-gewalt/

    Ziel der Politik ist es natürlich, dass es den Menschen besser geht...

    "Allein 2017 sind bislang nach Angaben der IOM mindestens 2925 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, knapp 5000 Migranten sind insgesamt ums Leben gekommen. Die Dunkelziffer liegt womöglich deutlich höher." http://www.fr.de/politik/flucht-zuwanderung/fluechtlinge-2017-fast-3000-tote-im-mittelmeer-a-1382630

    • @Uranus:

      Ziel ist es vor allem die Bereitschaft zur Akzeptanz von Verteilungsquoten bei anderen EU Staaten zu erhöhen und da macht es absolut Sinn was die Bundesregierung macht.

      3% von nem fast irrelevanten Rinsal wären den Polen eben leichter vermittelbar als 3% einer nicht so marginalen Größe.

      • @EinfachIch:

        Dass Abschottung u.a. Tote und Gewalt erzeugt, Ungleichheit zementiert, wäre in Kauf zu nehmen?

  • Mit den Dublin-Regelungen haben wir bereits ein geltendes und gutes System. Es muss nur richtig und ausnahmslos umgesetzt werden. Mit dem EU-Haushalt hat das nix zu tun.

     

    Auch die Fragen von Sozialleistungen, Arbeitslosigkeit und Mindeslöhnen sind ausschließlich Angelegenheiten der einzelnen Mitgliedsstaaten. Im Vertrag von Lissabon findet sich keine Grundlage für einejeweilige Zuständigkeit der EU.

  • "FDP-Fraktionschef Christian Lindner sagte an die Adresse Merkels, dass Frankreich für Reformen in Europa „zum Taktgeber avanciert“ sei."

     

    Den Macron kann scheinbar jetzt jeder bemühen - "Ich bin allen alles geworden"