Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik: Sanktionen für Flüchtlingskritiker
Merkel fordert, Geld aus EU-Hilfsfonds ans Engagement bei der Aufnahme von Geflüchteten zu knüpfen. Das zielt auf osteuropäische Staaten wie Ungarn.
Eine Kopplung finanzieller Sanktionen an die Flüchtlingsaufnahme hatte auch der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz im Bundestagswahlkampf 2017 gefordert. Merkel war damals noch dagegen gewesen. Die Kanzlerin gab gestern eine Regierungserklärung zum informellen EU-Gipfel in Brüssel ab. Dort wird es vor allem um die Finanzplanung der EU nach dem Austritt Großbritanniens gehen.
Das Asylsystem müsse „krisenfest und endlich auch solidarisch sein, gerade auch was die faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU angeht“, sagte Merkel. Dies sei bisher das „unbefriedigendste Kapitel der europäischen Flüchtlingspolitik“. Merkel forderte außerdem einen besseren Schutz der 14.000 Kilometer langen EU-Außengrenzen. Die Personalausstattung der Grenzschutzagentur Frontex müsse „massiv verbessert“ werden.
Der Austritt Großbritanniens aus der EU sei auch die Chance, die Finanzen der Union auf den Prüfstand zu stellen, betonte Merkel. Der Brexit voraussichtlich im Frühjahr 2019 reißt im EU-Haushalt eine Lücke von bis zu 14 Milliarden Euro pro Jahr. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger will die Hälfte davon einsparen, den restlichen Betrag durch höhere Zahlungen der verbleibenden 27 EU-Staaten decken. In dem Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für eine neue Große Koalition heißt es: „Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit.“
Reaktionen der Fraktionschefs
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland nannte Merkels Vorstoß zur Flüchtlingsaufnahme „politische Erpressung“. Die osteuropäischen Länder ließen sich in ihrer Haltung zur Flüchtlingsverteilung kaum umstimmen, sagte er voraus. „Die Nationen wollen selbst bestimmen, wen sie in ihre Gemeinschaft aufnehmen“, sagte er. „Es gibt keine nationale Pflicht zur Buntheit.“
SPD und Linke kritisierten die Ungleichheit der Lebensverhältnisse in Europa. Jene gefährde den Zusammenhalt, sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Die Unterschiede seien zum Teil enorm. Die Arbeitslosigkeit schwanke zwischen 2,3 Prozent in Tschechien und bis zu 20,7 Prozent in Griechenland. Nahles forderte gemeinsame Regeln, damit es einen Rahmen für Mindestlöhne und funktionierende Sozialsysteme in der EU gebe. Bezahlen müssten existenzsichernde Hilfen aber die einzelnen Mitgliedsstaaten.
Angela Merkel
Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf der Bundesregierung vor, durch ihre Sparpolitik während der Schulden- und Finanzkrise die soziale Lage in den Krisenländern verschlimmert zu haben. Merkel trage maßgeblich die Verantwortung dafür, dass die Lage in Europa so desolat sei, sagte Bartsch. „‚Haushalte vor Menschen‘ ist Ihre Herangehensweise.“
FDP-Fraktionschef Christian Lindner sagte an die Adresse Merkels, dass Frankreich für Reformen in Europa „zum Taktgeber avanciert“ sei. Ein schlichtes Echo auf Pariser Ideen könne aber nicht die deutsche Haltung sein. Lindner beklagte, er habe dazu eine konkrete Position erwartet, in dieser Frage aber nichts von Merkel gehört.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf Merkel vor, ihre fehle bei Europa Leidenschaft, Gestaltungswille und Zukunftsdrang. Genau das gebe europaskeptischen Nörglern und Spaltern Oberwasser. „Das ist doch mit Europa wie in einer Beziehung.“ Sie mache Arbeit, müsse neu begründet werden, sei niemals fertig. (mit dpa)
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