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Merkels Ende, das Hufeisen und die MitteKennen wir alles schon

Alle reden von der „Mitte“. Wer soll das eigentlich sein? Das wurde schon zigmal diskutiert – und die Kanzlerinnendämmerung kommt auch schon wieder.

Liegt die Mitte zwischen diesen beiden Händen? Foto: CommonLens/imago

M erken sie es auch, dieses Schaukeln? Keine Panik: Das sind nicht erste Corona-Symptome, es ist die Mitte, die ins Wanken geraten ist. Ist ja auch viel los gerade in der Mitte – also in dem Bereich zwischen Angela Merkels Händen. Mit ihnen hat die Zeit ihre aktuelle Ausgabe bebildert, dazu die Schlagzeile „Die Mitte wankt“. Nur, wenn Angela Merkel „Mitte“ ist, ist Saskia Esken (SPD) dann schon Rand? Und wo steht dann Bodo Ramelow? Sie merken, das mit der „Mitte“ haut nicht hin. Die Mitte ist das Gute, der Sehnsuchtsort. Deswegen möchte Giovanni di ­Lorenzo, Chefredakteur der Zeit, die Volksparteien zum „Weltkulturerbe“ erklären lassen.

Das Problem an dem Gerede über die Mitte ist, dass es so tut, als fänden sich Rassismus, Antisemitismus oder auch Homophobie nur an den Rändern. Nur zeigt ja die aktuelle Zeit, dass das nicht so einfach ist. Da erzählt ein Thüringer CDU-Abgeordneter, dass man sich mit der AfD „auf der Sach­ebene“ häufig einig sei. Andere sind überrascht über die Empörung nach der Ministerpräsidentenwahl. Ist sie das, die Mitte?

Es herrscht in Deutschland eine Art Abrissparanoia der Mitte. Zuletzt geriet sie 2015 in Schieflage, als Pegida marschierte. Damals titelte der Spiegel „Verliert Deutschland seine Mitte“? und ließ auf dem Cover Figuren in Richtung Hitlergruß rutschen. Das war immerhin präziser als der aktuelle Titel der Zeit, auf dem die Mitte „wankt“, optisch unterlegt von einem schwarz-roten (!) Strudel. Nur, wenn etwas wankt, dann schaukelt es in zwei Richtungen, nach links und rechts. Allerdings ist das nicht das, was in Thüringen passiert ist. Passiert ist, dass CDU und FDP mit Faschisten zusammen einen Ministerpräsidenten gewählt haben. Wenn die Union die Mitte sein soll, dann wankt sie nicht, dann kippt sie. Was die Zeit hier bildlich andeutet, ist das berühmte Hufeisen mit anderen Mitteln.

Mediale Untergangsstimmung herrscht derzeit auch in Bezug auf Angela Merkel. Das Scheitern AKKs sei auch das Scheitern der Kanzlerin, hieß es in einigen Leitartikeln, auch in dieser Zeitung. Kommt Ihnen bekannt vor? Voilà: „Wer fertig ist, kann gehen“ (Stern, 2018), „Anfang vom Ende der Ära Merkel“ (Welt, 2016), „Der Anfang vom Ende der Ära Merkel“ (Berliner Zeitung, 2013), „Ausgemerkelt“ (Stern, 2001). Die Kanzlerinnendämmerung wurde oft herbeigeschrieben. Mag sein, dass sie jetzt wirklich naht. Nur ist der Blick in die journalistische Glaskugel selten hilfreich.

Das weiß man nirgendwo besser als in den USA. In dem sehr guten Podcast der New York Times, „The Daily“, war gerade Chefredakteur Dean Baquet zu Gast und sprach über die Fehler während der letzten Präsidentschaftswahl. Viele JournalistInnen waren überzeugt, dass Hillary Clinton Präsidentin werden würde und Donald Trump keine Chance hätte. Die Redaktion sei zu selbstsicher gewesen, habe zu wenig ihre Quellen hinterfragt und die Stimmung unter den WählerInnen beobachtet, sagt er. Was er wohl zur Kanzlerinnendämmerung sagen würde?

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Anne Fromm
Reporterin
Ressortleiterin Reportage & Recherche und Vorständin der taz. // Berichtet vor allem über sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Rechtsextremismus und Desinformation. // Davor war sie Medienredakteurin im Gesellschaftsressort taz2. // Erreichbar über Threema: 9F3RAM48 und PGP-Key: 0x7DF4A8756B342300, Fingerabdruck: DB46 B198 819C 8D01 B290 DDEA 7DF4 A875 6B34 2300
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5 Kommentare

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  • 6G
    64984 (Profil gelöscht)

    Die CDU, FDP und die SPD seit 20 Jahren haben Politik für die Wirtschaft besonders für die Konzerne und die reichsten 10-20 % gemacht. Die si d mit dieser Politik sehr viel reicher und mächtig er geeorden Die nächsten 30-40 konnten mit dieser Politik zumindest ganz gut leben. Die restlichen 40-50% leiden eher.



    Wenn mab die Parteien auf einer Linie von 0-100 verorten will, dann liegen sie bei 80-90.



    Die Mitte ist das nicht! Und war es nie!

  • „Passiert ist, dass CDU und FDP mit Faschisten zusammen einen Ministerpräsidenten gewählt haben“



    Das liest sich so, als sei hier eine „Dreierkoalition“ von langer Hand vorbereitet gewesen. Meine Wahrnehmung war eine andere: Wie ein AfD-Mann schon vor einiger Zeit unvorsichtig ausgeplaudert hatte, wollte diese Partei die „Altparteien“ am Nasenring durch die Polit-Manege führen, z. B. indem sie einer gegnerischen Partei mit AfD-Stimmen ein vergiftetes Wahlgeschenk bereiten könnte.



    Das Chaos, das sie damit anrichten wollte, hat sie erreicht. Aus diesem Chaos wollte sie dann wie ein Phönix aus der Asche steigen und die Führung übernehmen. Das wird nun nichts. Eine „Machtergreifung“, wie 1933 bleibt uns erspart. Die Demokratie ist heutzutage stärker als damals in der Weimarer Republik. Warum ist keiner froh darüber?



    Ein zweites Mal wird dieser Coup sicher nicht gelingen. Die übrigen Parteien sollten sich aber schon aus Eigeninteresse verständigen, wie sie Tricksereien der gehabten Art abwehren können.

    • 6G
      64984 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Sie gehen CDU und FDP auf den Leim.



      Die würden das gerne als Versehen darstellen.



      Fakt ist, dass allen CDU lern in Thüringen und den meisten FDPlern bewusst war, dass vermutlich auch die AFD Kemmerich wählen würde.



      und alle fanden das absolut ok

      • @64984 (Profil gelöscht):

        Warum war nur "den meisten FDPlern" bewusst, dass "vermutlich auch die AfD Kemmerich wählen würde".

        Die Nachrichtenlage ist zwischenzeitlich (also spätestens seit dem vergangenen Wochenende) doch so, dass alle wussten, was sie taten und es aus verschiedenen Gründen auch getan haben.



        Ich halte jedoch einen der genannten Gründe für vorgeschoben, nämlich den, in dem behauptet wird "in der Situation eines linken und eines rechten Kandidaten haben wir den Kandidaten der Mitte gewählt". Meiner Meinung nach sind Abgeordnete nicht nur für das verantwortlich, was sie tun ("den Kandidaten der Mitte gewählt") sondern für das, was sie nicht tun (vor der Wahl darüber nachdenken, welche Folgen eine Wahl, oder eine Nicht-Wahl hat).

        • 6G
          64984 (Profil gelöscht)
          @Der Allgäuer:

          wenn es inzwischen bekannt ist, dass alle FDPler das wussten, gut. Ich wusste dass noch nicht.



          Ich denke auch, dass alle ganz bewußt mit der AFD zusammen gearbeitet haben und hoffe, dass sie bei der Hamburg Wahl die Quittung bekommen