Merkel verspricht Steuersenkungen: Bei der CDU ist jetzt schon Ostern
Angela Merkel hält an Steuersenkungen als Wahlkampfversprechen fest - unbeeindruckt von düsteren Konjunkturprognosen und zahlreichen Unions-Skeptikern.
BERLIN taz Auch das Unglaubwürdigste unerschütterlich wiederholen zu können zählt auf einer rein technischen Ebene zu den bewundernswerten Fertigkeiten von Politikern. Am höchsten ist diese Kunst bei den Generalsekretären der Parteien entwickelt, und deshalb wundert es niemanden, dass der Christdemokrat Ronald Pofalla trotz Wirtschaftskrise und Konjunkturpaket seit Wochen unverdrossen weitere Steuersenkungen nach der Bundestagswahl verspricht.
Etwas höhere Ansprüche an die Konsistenz politischer Verlautbarungen richten sich an die Person der Bundeskanzlerin, selbst wenn sie im Nebenberuf Parteivorsitzende ist. Deshalb ist es schon eher eine Nachricht, dass Angela Merkel den Zweiflern aus den eigenen Reihen am Wochenende persönlich entgegentrat. "Nun gibt es manche, die sagen: Weil wir ein bisschen was gemacht haben, ist die gesamte Steuerdiskussion beendet. Mit mir nicht", erklärte sie auf einer Konferenz von CDU-Kreisvorsitzenden in Berlin. Sie wolle den Steuertarif so verändern, dass die überproportionale Belastung der mittleren Einkommen abgebaut und der Spitzensteuersatz nicht schon von Facharbeitern bezahlt werden müsse.
Zuletzt hatten Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und mehrere Ministerpräsidenten der Partei erklärt, vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise gebe es vorerst keinen Spielraum für weitere Steuersenkungen. Eine Vereinfachung des Systems und die Abschaffung von Ausnahmen gelten politisch nur dann als durchsetzbar, wenn im Gegenzug die allgemeinen Steuersätze deutlich sinken. Für dieses Jahr plant die Regierung aber schon jetzt mit der höchsten Neuverschuldung der Nachkriegszeit. Steuerausfälle durch die Rezession und Ausgaben für weitere Konjunkturhilfen sind dabei noch nicht berücksichtigt.
In einem Interview verwies Unions-Fraktionschef Volker Kauder auf die parteiinterne Vereinbarung, bis Ostern ein Steuerkonzept für den Wahlkampf zu erarbeiten. "Wir haben gemeinsam beschlossen, bis dahin darüber nicht öffentlich zu debattieren", sagte Kauder - und fügte einen Satz hinzu, den man bislang nur von den rasch wechselnden Vorsitzenden einer zerstrittenen SPD kannte: "Diese Zusage hat bei einigen leider nur ein paar Tage gehalten." Den Spielraum für niedrigere Steuern verspreche er sich von einem Anspringen der Konjunktur im zweiten Halbjahr, behauptete Kauder, womit er seine Qualitäten als ehemaliger CDU-Generalsekretär demonstrierte. Auch Merkel sagte, für Steuersenkungen und einen soliden Haushalt gebe es nur eine Möglichkeit: "Wir müssen auf Wachstum setzen."
Vor den Kreisvorsitzenden war die Parteichefin vor allem darauf bedacht, Bedenken gegen die Milliardenhilfen für Banken und Unternehmen zu zerstreuen. Es gehe nicht, "dass die Steuerzahler für die schlechten Produkte bezahlen und die Banken mit den guten Produkten schnell wieder Gewinne machen." Für diese Absage an eine staatliche Bad Bank erhielt sie von den Funktionären besonders lauten Beifall. Auch in der Diskussion um Staatshilfen für den Autozulieferer Schaeffler ging sie auf Distanz.
In der anschließenden Diskussion meldete sich eine Kreisvorsitzende mit der Forderung zu Wort, die Regierung solle "Zuversicht verbreiten, nicht neue Hiobsbotschaften". Mit dem Einwurf wusste Merkel ersichtlich nicht viel anzufangen. Vermutlich weiß sie selbst noch nicht, ob die Gelassenheit der großen Mehrheit sie noch freuen oder schon ängstigen soll. Gemessen an den Prognosen, mit denen die Kanzlerin tagtäglich von Experten konfrontiert wird, ist die Aussicht auf baldige Steuersenkungen jedenfalls mehr als optimistisch. Mehr Zuversicht geht kaum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen