Merkel soll China-Korrespondenten helfen: „Sie sollten auf ihre Familie achten“
Deutsche Korrespondenten in Peking beklagen die Verschärfung ihrer Arbeitsbedingungen. Sie bitten Merkel um Hilfe, die am Donnerstag nach China fliegt.
PEKING taz | Eigentlich war für den Besuch von Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in Peking kein wirklich brisantes Thema vorgesehen. Wen Jiabao hatte vor seinem bevorstehenden Abgang als chinesischer Premierminister zu den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen geladen, um noch einmal die Freundschaft beider Länder zu beschwören.
Nun bahnt sich ein Streitthema an. Die in China ansässigen Korrespondenten aus Deutschland (unter anderem auch der Autor) haben in einem offenen Brief die Kanzlerin darum gebeten, sich bei Wen für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Pressefreiheit einzusetzen. „Polizei und Staatssicherheit behindern unverändert unsere Arbeit und drohen unverhohlen damit, unsere Visa nicht zu verlängern, wenn wir über „sensible“ Themen berichten“, beklagen die 26 China-Korrespondenten in dem Brief.
Anlass für den Appell an die Kanzlerin sind eine Reihe von Drohungen gegen ausländische Journalisten in jüngster Zeit. So wurde einem deutschen Korrespondenten nach einer Recherche über parteiinterne Dokumente offen mit Konsequenzen gedroht. „Sie haben doch Frau und Kind. Auf deren Sicherheit sollten Sie achten“, warnten sie ihn.
Zudem kommt es vor allem gegen Fernseh- und Hörfunkjournalisten immer wieder zu Übergriffen, zuletzt vor zwei Wochen gegen ein Fernsehteam der ARD, das nach Dreharbeiten vor einer Fabrikanlage neun Stunden lang festgehalten wurde. Aber auch allgemein haben sich die Arbeitsbedingungen für Journalisten verschlechtert. So sind viele Regionen Chinas offiziell für ausländische Journalisten gesperrt. Dazu zählen nicht nur Tibet, sondern auch andere von Tibetern besiedelte Gebiete und Teile der Region Xinjiang, wo die Minderheit der Uiguren lebt.
Einladung zum „Tee trinken“
Besonders gefährdet sind Interviewte und die chinesischen Mitarbeiter der Korrespondenten. Die chinesische Staatssicherheit lädt die Assistenten regelmäßig zum „Tee trinken“ ein und fordert sie auf, ihre Vorgesetzten auszuspionieren oder sich nicht mit kritischen Themen zu beschäftigen. In einer Umfrage der Vereinigung ausländischer Korrespondenten in China (FCCC) sagen mehr als ein Drittel der Mitglieder, dass ihre Mitarbeiter bedroht werden. 98 Prozent der Befragten erklärten, dass internationale Standards für Berichterstattung nicht gewahrt werden.
Einen neuen Höhepunkt haben die Restriktionen Anfang des Jahres mit der Ausweisung der US-Journalistin Melissa Chan vom Sender Al Jazeera erreicht – das erste Mal seit vierzehn Jahren. Und auch den langjährigen Korrespondenten des Spiegel-Verlages ließ das chinesische Außenministerium mehr als ein Jahr auf ein Journalistenvisum warten und haben ihm damit de facto ebenfalls eine Arbeitserlaubnis verweigert.
Deutsche Korrespondenten, die lange in Peking arbeiten, halten die heutigen Bedingungen für schlimmer als vor zehn Jahren. Bundesregierungssprecher Steffen Seibert versicherte, die Kanzlerin werde auch dieses Mal dafür werben, dass eine „vitale, selbstbewusste Zivilgesellschaft und unabhängige Medien eine Bereicherung für ein Land wie China sind und keine Gefahr.“ Michael Rediske der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ sieht seine Befürchtungen bewahrheitet, die er schon während der Olympischen Spiele 2008 in Peking hatte: „Die Spiele haben nicht zu weniger Zensur und mehr Medienfreiheit geführt.“
Vielmehr habe Chinas Regierung die Daumenschrauben seit dem vergangenen Jahr wieder angezogen. Auf dem Index der Pressefreiheit, den die Organisation erstellt, belegt die Volksrepublik einen der hinteren Plätze. Nur Iran, Turkmenistan, Syrien, Eritrea und Nordkorea schränken eine freie Berichterstattung noch mehr ein.
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