Menschenrechtsverstöße: Massive Kriegsverbrechen in Somalia
Human Rights Watch hat im Detail die blutigen Kämpfe um Somalias Hauptstadt Mogadischu im März und April untersucht. Äthiopien und Somalias Regierung weisen Vorwürfe zurück.
Nairobi taz Die Kämpfe Ende März dauerten nur vier Tage, aber es waren die schwersten, die Somalias ohnehin in Schutt und Asche liegende Hauptstadt Mogadischu seit langem gesehen hatte. "Die regierungsfeindlichen Kräfte haben sich bewusst in dicht bevölkerten Vierteln verschanzt und die Bewohner als Schutzschilde missbraucht", fasst Tom Porteous von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch den Verlauf zusammen. "Und die mit der Übergangsregierung verbündete äthiopische Armee hat die Viertel mit Raketen und schwerem Geschütz systematisch bombardiert, obwohl ihr klar war, dass es eine hohe Zahl ziviler Opfer geben würde." Für beides gibt es laut dem Menschenrechtler nur ein Wort: Kriegsverbrechen.
In einem aktuellen Bericht, dem 100 Interviews mit Augenzeugen zugrunde liegen, hat Human Rights Watch den Verlauf der Kämpfe zwischen Ende März und Ende April rekonstruiert. Das Ergebnis: Alle Seiten haben das humanitäre Völkerrecht gebrochen - und niemand interessiert sich dafür. "Weder die USA noch die EU, beides wichtige Geberländer in Äthiopien und Somalia, haben die Vorfälle kritisiert." Vom UN-Sicherheitsrat, der am Montagabend über die Lage in Somalia diskutieren sollte, fordert Porteous die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission. "Es darf nicht sein, dass so massive Menschenrechtsverstöße wie die der vergangenen Monate ungestraft bleiben."
Den regierungsfeindlichen Kräften in Somalia - Sympathisanten der Ende 2006 verjagten Islamisten sowie Milizen des größten Clans in Mogadischu, der Hawiye - wirft Human Rights Watch vor, bei ihren Anschlägen zivile Opfer bewusst in Kauf zu nehmen. Die äthiopische Armee wiederum habe drei Hospitäler gezielt bombardiert und zwei von ihnen geplündert. Die somalische Übergangsregierung schließlich, so die Menschenrechtsorganisation, sei nicht ihrer Pflicht nachgekommen, die Zivilbevölkerung zu warnen. "Bis heute nehmen die Regierungstruppen zudem unter Generalverdacht junge Männer fest, die oftmals verschleppt und misshandelt werden."
Vermutlich mehr als tausend Menschen seien im März und April ums Leben gekommen, sagt Porteous. Die Gefechte nennt er die schlimmsten seit der Flucht des Diktators Siad Barre 1991: "So schwere Waffen wie die Katjuscha-Raketen, die die äthiopische Armee eingesetzt hat, hat es in Somalia seit 16 Jahren nicht gegeben." Zwar hätten die Kämpfe an Intensität inzwischen abgenommen, doch noch immer leide die Zivilbevölkerung: Die UN schätzen die Zahl der Flüchtlinge, die unter ärmlichen Bedingungen im Umland von Mogadischu leben, auf mehr als 300.000.
Zunehmend geraten kritische Stimmen ins Visier. Am Wochenende wurden zwei prominente Radiojournalisten ermordet, ein Moderator und ein Mitbesitzer des Privatsenders HornAfrik. Somalias Journalistengewerkschaft spricht von einer gezielten Kampagne gegen den unabhängigen Journalismus im Land.
Regierungssprecher Abdi Gobdon kritisierte die Vorwürfe gegen seine Regierung gestern als gegenstandslos. Und der äthiopische Präsidentenberater Simon Bereket blaffte: "Human Rights Watch erfindet wie üblich Märchen, um die Weltöffentlichkeit in die Irre zu führen." Doch humanitäre Helfer in Mogadischu, die die Opfer der Kämpfe versorgen, bestätigen die Düsternis der Lage. "Die Evakuierung Mogadischus geht täglich weiter, man könnte heulen", erklärt der Direktor der Diakonie-Partnerorganisation Daryeel Bulsho Guud, Abukar Sheikh Ali.
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