Menschenrechtler über Racial Profiling: „Fälle scheinen mehr zu werden“
Der Wiener Rapper T-Ser erhebt Rassismus-Vorwürfe gegen die Polizei. Dieter Schindlauer von der Beratungsstelle „ZARA“ will den Fall nun klären.
Der österreichische Rapper T-Ser ist am Sonntag zusammen mit einigen Arbeitskollegen in einem Wiener Park von Polizisten kontrolliert worden. Er hat den Fall publik gemacht und spricht von Rassismus. Auch die Wiener Zeitung berichtete darüber.
Der Rapper teilte noch am Sonntag mehrere kurze Videos des Ereignis in seiner „Instagram-Story“ im Internet und warf der Wiener Polizei „Racial Profiling“ vor. Das auf Stereotypen und äußerlichen Merkmalen basierende Agieren von Polizisten ist nicht nur rassistisch, sondern auch rechtswidrig. Die Wiener Polizei wies diesen Vorwurf dann auch entschieden von sich.
T-Ser und seine Kollegen sind alle Österreicher, einige von ihnen sind People of Colour (PoC). Ein österreichischer Staatsbürger ist in seinem Heimatland nicht dazu verpflichtet, ein Dokument, wie einen Personalausweis, Führerschein oder Reisepass bei sich zu tragen. Bei Menschen, die aus einem anderen Land stammen, sieht die Rechtslage anders aus. Sie müssen bei einer Kontrolle ihre Identität nachweisen können – die Amtshandlung muss allerdings begründet werden.
Unter dem Hashtag #nichtmituns gingen die Videos viral. In den Kommentaren schilderten Tausende User ihre eigenen Erfahrungen mit willkürlichen Polizeikontrollen. Mittlerweile hat sich auch die österreichische Sensibilisierungs- und Beratungsstelle gegen Rassismus ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit eingeschaltet.
ZARA-Obmann Dieter Schindlauer will den Vorfall nun klären und gegebenenfalls eine Beschwerde einreichen.
Herr Schindlauer, was ist da am Sonntag passiert?
Bisher kennen wir nur die Videos, die gepostet wurden. Diese zeigen aber schon Anhaltspunkte, die sehr klar dafür sprechen, dass diese Handlungen nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Zum Beispiel die Szenen, wo die Polizisten einen der Männer am Arm festhalten. Der Mann zeigte kein aggressives Verhalten. Als Beobachter fällt es schwer, ein solches Handeln der Polizei nachzuvollziehen. Die Beamten wollten die Männer aus dem Park vertreiben und es schien schon damit zusammenzuhängen, wie sie aussehen. Aber es brauch ein Gesamtbild, um eine seriöse Einschätzung zu machen.
Der ZARA-Obmann und Jurist hat als Menschenrechtsexperte viele Projekten zu Nichtdiskriminierung geleitet. Er unterrichtet an verschiedenen Hochschulen und hat jahrelange Erfahrung als Aktivist, Trainer und Berater von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen. Seit 2004 ist er Präsident des Verbandes zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern. 1999 war er Gründungsobmann von ZARA und dort bis 2011 im Vorstand aktiv.
Wie allgegenwärtig ist „Racial Profiling“ in Österreich?
Wir haben häufig mit Beschwerden gegen die Polizei zu tun. Jedoch ist Racial Profiling relativ schwer nachzuweisen. Es ist meist nur ein Empfinden der Betroffenen. Oft wird es erst ersichtlich, wenn es keinen konkreten Grund für ein Handeln von Seiten der Polizei gibt – also wenn jegliche Anhaltspunkte fehlen. Erst kürzlich ist die österreichische Exekutive in einem internen Papier zum Schluss gekommen, dass es eventuell ein Problem mit Racial Profiling geben könnte. Sie wollen das Thema nun mehr aufgreifen, das wurde uns zumindest versprochen. Passiert ist aber noch nicht wirklich viel.
Haben Sie den Eindruck, dass dieses Problem größer geworden ist?
Bis vor einem Jahr gab es eine Phase, wo die Polizeibeschwerden eher ab- als zugenommen haben. Nun scheinen die Vorfälle wieder mehr zu werden. Aber genau können wir das nicht sagen. Wir sehen ja nur, wie viele Beschwerden bei uns landen. Und diese steigen im Moment weiter an.
Wie können Sie sich das erklären?
Es drängt sich natürlich der Verdacht auf, dass das mit dem Regierungswechsel zu tun hat. Aber das ist nur ein Eindruck. Manche Elemente in der Polizei könnten sich bestätigt fühlen, dass ein bisschen Rassismus nicht schadet. Aber es ist noch nicht so massiv angestiegen, um zu sagen: Die österreichische Polizei wurde total umgekrempelt, es sind nur noch rassistische Rambos unterwegs. Das wäre ein überzogenes Bild.
In welchem Rahmen treten Fälle von „Racial Profiling“ am häufigsten auf?
Es kommt oft vor, dass in manchen öffentlichen Räumen bestimmte Bevölkerungsgruppen durch ständige Kontrollen oder erniedrigender Behandlung vertrieben werden. Oft scheint es so, dass bestimmte Gruppen so lange kontrolliert werden, bis sie sich einfach nicht mehr an dem Ort aufhalten. Die meisten Fälle die wir gemeldet bekommen, sind aber viel schlimmer. Die reichen schon mal bis hin zu Misshandlungsvorwürfen gegen die Polizei.
Wie können sich Betroffene von „Racial Profiling“ wehren?
Es gibt die Möglichkeit, sich zu beschweren. Dabei wird zwischen der sogenannte Richtlinienbeschwerde und der Maßnahmenbeschwerde unterschieden. Die Richtlinienbeschwerde befasst sich mit der Frage, ob der Einsatz als solcher richtig geführt wurde. Da fließt dann auch die Fragen ein, ob es Hinweise auf ein rassistisches Motiv für die Amtshandlung gab. Die Maßnahmenbeschwerde richtet sich gegen konkrete polizeiliche Maßnahmen, wie das Festhalten zum Beispiel. Bei dem Fall vom Sonntag müssen wahrscheinlich beide Beschwerden eingereicht werden.
Was kann ein Außenstehender tun, wenn er Zeuge von „Racial Profiling“ wird?
Es ist wichtig, als Zeuge stehen zu bleiben und gut aufzupassen. Das Filmen ist erlaubt und hilft wahnsinnig bei der Aufklärung solcher Fälle. Was man nicht tun sollte, ist eine erniedrigende Behandlung von Seiten der Polizei aufzunehmen und dann das Video einfach ins Internet zu stellen. Es verletzt die Persönlichkeitsrechte der Person. Der Zeuge sollte sich mit dem Betroffenen vernetzen und das Video an unseren Verein oder direkt an die Staatsanwalt schicken. Gibt es nur mündliche Aussagen, ist es schwierig, etwas zu beweisen. Denn Aussagen von Polizisten werden höher bewertet – selbst wenn es um Übergriffe geht.
Was passiert mit einem Exekutivbeamten, dem Racial Profiling nachgewiesen wurde?
Die meisten Betroffenen sind nicht daran interessiert, dass die Polizeibeamten bestraft werden. Sie möchten lediglich, dass sie ihr Fehlverhalten einsehen. Viele wünschen sich nur eine Entschuldigung und eine Erklärung dafür, was passiert ist. Falls die Beamten für ihr Verhalten bestraft werden, dann passiert das komplett intern.
Oft wirkt es so, als gebe es gar keine Konsequenzen für die Beamten.
Es gibt schon Disziplinarverfahren für die Beamten, wie Versetzungen, Gehälter die nicht ausbezahlt werden oder Nachschulungen. Es dringt nur nicht nach außen. Die von Racial Profiling betroffene Person hat kein Recht darauf, zu erfahren, was disziplinär passiert ist. Anders ist es bei Delikten, die mit Körperverletzung zu tun haben. Da gibt es natürlich ein klassisches Strafverfahren, wo Polizeibeamte dann ganz normal verurteilt werden und auch ihren Job verlieren können.
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