Mehrwertsteuer-Senkung im Einkaufsalltag: Großer Aufwand für wenig Geld
Längst nicht alle Firmen geben die Mehrwertsteuersenkung an die Verbraucher weiter. Ökoläden zum Beispiel klagen, die Umstellung lohne sich nicht.
„Diejenigen, die während der Pandemie gute Geschäfte gemacht haben, gewähren teilweise sogar noch größere Rabatte“, sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler. Sie erwartet, dass die Steuersenkung anstandslos an die Verbraucher weitergegeben wird – aber das ist längst nicht überall der Fall. Dienstleister und das Handwerk seien zurückhaltender. Frisöre zum Beispiel mussten wegen der Coronabestimmungen schließen und wollen diese Verluste jetzt erst mal wettmachen.
Hinzu kommt der bürokratische und technische Aufwand, über den etwa die Ökobranche klagt. Viele inhabergeführte Geschäfte treffe die Umstellung hart, sagt Kathrin Jäckel vom Bundesverband Naturkost Naturwaren. Sie bezweifelt, dass die Steuersenkung den gewünschten Effekt hat. Denn gerade im Lebensmitteleinzelhandel lägen die Ersparnisse im Centbereich. Beim Kauf eines 30 Cent teuren Bioeis sparte der Verbraucher weniger als einen Cent. Einige Händler hätten sich deshalb Alternativen überlegt: Sie setzen die Steuerersparnis für regionale Hilfs- und Umweltprojekte ein. Die taz will die Mehrerlöse aus den Abonnements in die Weiterentwicklung der Zeitung investieren.
Grundsätzlich sind Unternehmen nicht dazu verpflichtet, die Steuersenkung weiterzugeben. Sie können selbst entscheiden, ob und wie ihre Kunden davon profitieren sollen.
Coronaprofiteur Onlinehandel knauserig
Äußerst unglücklich über die Mehrwertsteuersenkung ist die Automobilbranche, die sich von der Politik stattdessen eine Kaufprämie für Autos gewünscht hatte. Der Verband der Automobilindustrie erklärt jedoch, dass die Steuerersparnis im vollen Umfang an den Kunden weitergegeben werde – man prüfe außerdem, wie diese verstärkt werden kann.
Auch die Deutsche Bahn gewährt einen Steuerrabatt. Im öffentlichen Nahverkehr ist das hingegen schwierig, weil Preisänderungen erst von den Kommunen genehmigt werden müssen – und das könne sich ziehen, sagt Lars Wagner, Sprecher des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen.
In der Gastronomiebranche ist von der Steuersenkung ebenfalls eher wenig zu spüren – „wir sind durch die Coronapandemie aber auch sehr gebeutelt“, sagt Stefanie Heckel vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Anstatt „die Cola einige Cent billiger zu machen“ setzten Betriebe deshalb lieber auf besondere Aktionen für ihre treuen Kunden.
Stammkunden mit der Steuersenkung zu belohnen, ist auch in der Textilbranche ein Modell. Rabatt gebe es zum Beispiel für Inhaber einer Kundenkarte, sagt Axel Augustin vom Handelsverband Textil. Die Pandemie habe die Branche ebenfalls schlimm getroffen – die aufwendige Steuersenkung schade nun eher, als dass sie nütze. Schließlich sei in vielen Geschäften ohnehin Schlussverkauf. „Wer braucht da noch die 3 Prozent?“ Viele kleinere Geschäfte behielten die Ersparnis deshalb – um ihre Verluste zumindest ein bisschen auszugleichen.
Der Coronaprofiteur Onlinehandel aber gibt die Steuersenkung ebenfalls kaum an die Kunden weiter – das ergibt zumindest eine Auswertung des ZDF-Wirtschaftsmagazins „Wiso“, das die Preise von rund 3.000 Artikeln auf Onlineportalen untersucht hat. Nur bei einem Viertel der Produkte gab es Preissenkungen, teilweise stiegen die Preise sogar. Der Verband des E-Commerce und Versandhandels rechtfertigt das auf Anfrage damit, dass die Preise im Onlinehandel oft schwankten – je nach Angebot und Nachfrage. „Natürlich können Produkte nach der Mehrwertsteuersenkung durch die Preisentwicklung teurer werden als vorher“, sagt Sprecher Martin Groß-Albenhausen. Die Preise könnten aber genauso gut sinken.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen rät deshalb, Angebote zu überprüfen und Preise zu vergleichen. Inwieweit die Mehrwertsteuersenkung zufriedenstellend an die Kunden weitergegeben wird, können die Verbraucherschützer nicht sagen – bislang habe es aber zumindest noch keine Beschwerden gegeben.
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