Mehrstaatlichkeit wird Wahlkampfthema: FDP umwirbt Deutschtürken
Ab diesem Jahr verlieren die ersten jungen Doppelstaatler ihren deutschen Pass wieder. Die CDU besteht auf der Optionspflicht, die FDP nicht mehr.
Eine junge Frau aus Hanau, die in Hessen geboren und aufgewachsen ist, war die Erste: Weil sie zu spät beantragt hatte, aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden, konnte sie den deutschen Behörden zu ihrem 23. Geburtstag noch keinen Bescheid aus der Türkei vorlegen. Darum wurde ihr automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.
Im Januar 2013 haben mindestens 16 Jugendliche auf diese Weise ihren deutschen Pass verloren. Das antwortete die Bundesregierung kürzlich auf eine kleine Anfrage der Grünen. Grund dafür ist die sogenannte Optionspflicht, festgeschrieben in der rot-grünen Reform des Staatsbürgerschaftsrechts von 1999.
Die trat 2000 in Kraft und seitdem gilt die Regel, dass migrantische Jugendliche, die hier geboren sind, sich spätestens bis zum Alter von 23 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen – für die deutsche oder die ihrer Eltern. Betroffen sind alle Geburtsjahrgänge ab 1990 – frühere Geburtsjahrgänge konnten keinen Antrag auf Einbürgerung stellen. In diesem Jahr erreichen nun die ersten von ihnen das Alter von 23 Jahren, in dem ihre Entscheidungsfrist abläuft.
Die Optionspflicht war ein Kompromiss, den die Schröder-Fischer-Regierung einging. Nach dem der hessische CDU-Chef Roland Koch damals eine Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpass angezettelt hatte, stand sie unter Druck. Die Ironie ist: Die Idee mit der Optionsregelung kam damals von der FDP, die sie heute abschaffen will.
Sinneswandel der FDP
Sie betrifft nun vor allem Jugendliche, deren Eltern beide aus der Türkei stammen. Denn alle EU-Bürger haben das Recht, zwei Pässe zu besitzen, ebenso wie Menschen aus Länder wie Iran oder Syrien, die ihre Angehörigen generell nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen. Auch jeder, der mindestens ein deutsches Elternteil hat, darf zwei Pässe besitzen.
Die Bundesregierung erklärt, dass in diesem Jahr – dem ersten, in dem die Regel voll greift – etwa 3.300 junge Menschen betroffen sein werden. Mehr als zwei Drittel davon sind Deutschtürken. Ab 2018 werden sich rund 40.000 Menschen jährlich für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssen. Das bringt einen gewaltigen bürokratischen Aufwand mit sich, den viele für fragwürdig halten.
„Über neunzig Prozent der Deutschtürken entscheiden sich am Ende für die deutsche Staatsbürgerschaft“, sagt Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Die türkische Staatsbürgerschaft sei für viele nicht so attraktiv, weil sie zum Wehrdienst in der Türkei verpflichte.
„Verheerendes Signal“
Warum man sie da zu einer Entscheidung zwingen muss, versteht er nicht. Er fürchtet, dass dieser Verwaltungsaufwand auf Kosten der regulären Einbürgerungen geht. „Die Behörden sind jetzt schon überlastet“, sagt er.
„Ein Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft gegen den Willen der Betroffenen ist ein integrationspolitisch verheerendes Signal“, mahnt auch Christine Langenfeld, die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration (SVR). „Statt ihre Zugehörigkeit zu stärken, schlagen wir diesen jungen Deutschen mit Doppelpass die Tür vor der Nase zu.“ Der Rat plädiert dafür, die Optionspflicht auszusetzen.
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