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Mehrsprachige BildungTürkisch spielen, chinesisch singen

Pädagogik muss künftig einen Raum schaffen, in dem Mehrsprachigkeit gelingt: Ein Seminar in Hildesheim versucht, das in die Ausbildung zu integrieren.

Zweisprachige Kitas gibt es schon ein paar. Aber multilingual? Da gibt's in Deutschland noch wenig Erfahrungen Foto: Jens Buettner/dpa

Lübeck taz | Montags Spanisch, dienstags und donnerstags Chinesisch, freitags Deutsch – die Kinder der „Pusteblume International Preschool“ wachsen ganz selbstverständlich mit vier Sprachen auf. Es gibt spielerischen Sprachunterricht, und die Sport- und Kunstangebote am Morgen und Nachmittag sind multilingual. Die Kita liegt im Stadtteil Chelsea in New York City, wo auch Englisch gesprochen wird. Allein auf der Insel Manhattan gibt es 13 solcher mehrsprachigen Kitas.

In anderen Ländern sind solche Angebote die Ausnahme – obwohl auch dort die Lebensrealität vieler Kinder nicht nur in einer Sprache stattfindet. In Deutschland spricht eines von fünf Kita-Kindern zu Hause eine andere Sprache als Deutsch.

Wie können ErzieherInnen mit dieser Herausforderung umgehen? In einer Online-Seminarreihe zu „Multilingual Childhoods“ tauschen sich 80 Studierende und Lehrende aus neun Ländern zu diesem Thema aus. Organisiert wurde das Format von Professor Tim Rohrmann, Leiter des Studiengangs Kindheitspädagogik an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim, Holzminden und Göttingen.

Er hat das Format gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Österreich, Tschechien, Griechenland, der Schweiz und den USA entwickelt. In sechs international moderierten Online-Veranstaltungen erarbeiten die Studierenden, wie Sprachbildung in Gesellschaften mit Migration gut funktionieren kann.

Zwei Welten zusammenbringen

Die Seminarreihe richtet sich an Studierende der Kindheitspädagogik. Um mit Kindern zu arbeiten, die mehrsprachig aufwachsen, „muss ich wissen, wie Sprachvermittlung funktioniert“, sagt Tim Rohrmann. Zum Beispiel haben Kinder aus dem arabischen Sprachraum oft Probleme, die Vokale zu unterscheiden, weil es in ihrer Sprache solche Laute nicht gibt.

Wenn ErzieherInnen das nicht wissen, schicken sie Kinder mit Sprachschwierigkeiten zum Beispiel zum Logopäden, obwohl diese kein physisches, sondern ein Verständnisproblem haben. Das Projekt möchte auch ErzieherInnen und SprachtherapeutInnen zusammenbringen – zwei Welten, die zurzeit in Deutschland noch getrennt sind.

Kitas stehen vor der Herausforderung, einen Raum zu schaffen, in dem Mehrsprachigkeit gelingt. Wenn das der Fall ist, sagt Rohrmann im taz-Gespräch, wird sie von einem Problem zum Reichtum für die Gruppe. Beispielsweise sagte ein Kind, das in England gelebt hatte: „Das ist kein Tisch, das heißt nur so.“ Dieses Kind, sagt Rohrmann, „hat etwas Wichtiges verstanden“.

Wenn Kinder in gemischten Gruppen zusammenspielen, könnten diejenigen, die die Landessprache schon besser sprechen, übersetzen und anderen Kindern helfen. Im besten Fall lernen sie, niemanden auszugrenzen und wertschätzen alle Sprachen gleich.

Herausforderung für ErzieherInnen

Es ist eine große Herausforderung für ErzieherInnen, diese Prozesse zu begleiten. Manchmal sind sie verantwortlich für Kinder, mit denen sie sich sprachlich nicht verständigen können. Zudem sind sie für die Zusammenarbeit mit Eltern zuständig, mit denen es oft kulturelle Missverständnisse gibt. „Eltern, die kein Deutsch sprechen, muss ich anders erreichen“, sagt Rohrmann. Zum Beispiel kann die Kita ein Kinderbuch, das sie auf Deutsch mit den Kindern liest, auch in Polnisch anschaffen und es den Eltern ausleihen.

Viele migrantische Eltern sind beim Thema Mehrsprachigkeit unsicher. „Manche wollen, dass ihr Kind schnell die andere Sprache lernt, und vermeiden es, ihre Muttersprache zu Hause zu sprechen. Oder sie haben umgekehrt Angst, dass ihr Deutsch nicht gut genug ist. Dabei machen Eltern das oft intuitiv richtig.“

Das Thema ist politisch. Wir brauchen mehr Fachkräfte, die noch besser qualifiziert sind

Tim Rohrmann, Professor an der Fakultät Soziale Arbeit der HAWK

Für eine gute Sprachförderung brauchen Kitas Ressourcen – und die fehlen in fast allen Ländern, die am Projekt beteiligt sind. In der frühen Bildung fehlt besonders viel Personal. „Das Thema ist politisch“, sagt Rohrmann. „Wir brauchen mehr Fachkräfte, die noch besser qualifiziert sind.“ Das gelte auch für die anderen Länder, in denen Kita-Fachkräfte oft studiert hätten, gleichzeitig aber für mehr Kinder verantwortlich seien als ihre deutschen KollegInnen.

Die Seminarreihe ist ein Anfang. Sie fördert den internationalen Austausch unter Studierenden. Viele von ihnen bereiten sich auf ein Auslandssemester vor oder haben selbst einen migrantischen Hintergrund. Dass sie von den mehrsprachigen Kitas in New York erfahren und von ihnen lernen dürfen, ist laut Rohmann ein erster Schritt, „um Strategien zu entwickeln, wie wir Mehrsprachigkeit fördern können in einer globalisierten Welt“.

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