Mehr Räume für Berliner Kreative: Kultur soll aus dem Keller

Mit der neuen Dachinstitution „Kulturraum Berlin“ sollen künftig mehr Räume günstiger an Künst­le­r*in­nen vermietet werden.

Probenraum in besetztem Haus in der Kastanienallee 86, 1990 Foto: Detlev Konnerth/imago

BERLIN taz | Berlin geht neue Wege, um Kulturräume zu erhalten und zu retten. Am Montag stellte sich das Bündnis „Kultur Räume Berlin“ vor, in dem sich sechs Institutionen aus Politik, Kultur, Immobilienmanagement und Stadtentwicklung vereint haben. Mit diesem Verbund will man fortan dafür sorgen, dass Arbeitsorte – Ateliers, Proben- und Projekträume – gezielt angemietet und gekauft werden, um sie vergünstigt an Künst­le­r:in­nen weiterzuvermieten. Diese können sich auf einer neu gelaunchten Website um die Räume bewerben.

„Für mich ist das ein Freudentag“, sagte Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bei der Online-Pressekonferenz von Kultur Räume Berlin. „Denn wenn Berlin eine Stadt der Künstler und eine Kulturstadt bleiben will, reicht es nicht aus, Förderprogramme aufzusetzen, sondern es braucht langfristige Strategien. Dazu muss man Kulturpolitik als Infrastruktur- und als Stadtentwicklungspolitik begreifen.“

Dies zusammenzudenken, darum geht es also in dem Konstrukt, das auf den ersten Blick nicht ganz einfach zu durchschauen ist. Gebildet wird „Kultur Räume Berlin“ aus folgenden sechs Playern: der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, dem Berliner Immobilienmanagement (BIM), dem Atelierbüro im Kulturwerk des Berufsverbands bildender Künstler bbk berlin, dem Bündnis Freie Szene Berlin, der Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) und der Kulturraum Berlin GmbH.

Kulturraum Berlin ist dabei eine neu gegründete Dachinstitution, die in diesem Bündnis die koordinierende und lenkende Funktion übernimmt. „Wir sind die Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen im Zentrum“, sagte Tatjana Kaube, mit Jasper Bieger Co-Geschäftsführerin von Kulturraum Berlin. „Zudem sind wir Über­set­ze­r:in­nen zwischen den einzelnen Gruppen. Von der Immobilienwirtschaft bis zur Freien Szene ist ein sehr breites Spektrum vertreten – die müssen einander erst einmal verstehen.“

Die Coronakrise habe die prekäre Situation der Kulturschaffenden weiter verschärft, daher sei es auch ihre Aufgabe, „ein bisschen Tempo reinzubringen“, so Kaube. Kulturraum Berlin hat 2021 einen Etat von rund 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Für den gesamten Bereich Arbeitsräume – Betrieb, Sicherung, Herrichtung, Akquise, Anmietung – sind im Kulturhaushalt für 2021 zudem gut 20 Millionen Euro veranschlagt.

Die einzelnen Akteure stellen jeweils eigenes Personal ab

Man könnte meinen, bei dem neuen Netzwerk gehe es nur darum, alle an einen runden Tisch zu bringen – doch es ist mehr als das. Die einzelnen Akteure stellen jeweils eigenes Personal ab; der Erhalt der kreativen Freiräume wird so zur sparten- und ressortübergreifenden Aufgabe.

Überfällig, könnte man denken, und auch Klaus Lederer merkte an: „Eigentlich hätte man vor zehn oder zwölf Jahren damit anfangen müssen.“ Der Kultursenator begreift die Kooperative als Instrument, die Kulturräume zumindest künftig dem aufgeheizten Berliner Immobilienmarkt zu entziehen. Die Hälfte der Räume soll allerdings aus Liegenschaften stammen, die ohnehin schon in Landesbesitz sind. Zu den Stadtentwicklungsprojekten auf den ehemaligen Flughäfen in Tempelhof und Tegel gibt es Kontakt, auch hier könnten Kunsträume entstehen.

Öffentlich vorgestellt wurde die Kulturraum GmbH erst jetzt, doch das siebenköpfige Team ist schon seit Oktober 2020 komplett – und hat bereits erste Erfolge zu verzeichnen. Für 2021 sind bereits 2.000 Räume für künstlerische Arbeiten gesichert worden. Der Bedarf aber ist weit höher, in Berlin geht man von einer Zahl von allein acht- bis zehntausend bildenden Künst­le­r:in­nen aus, von denen viele ihre Räume wegen steigender Mieten zuletzt nicht mehr bezahlen konnten.

Lederer sieht die Initiative auch aufgrund der Pandemie als zwingend notwendig an. „Die aktuelle Situation hat gezeigt, dass Künstler:innen, Kulturschaffende und Soloselbstständige extrem vulnerable Gruppen sind. Die Hilfsmaßnahmen kommen oft zu spät oder greifen gar nicht.“ Umso wichtiger sei es, kostengünstig und langfristig Räume zur Verfügung zu stellen: „Kunstproduktion muss ja irgendwo stattfinden, und das ist selten zu Hause im Schlafzimmer.“

Wer nicht auf die heimischen vier Wände ausweichen will, kann jetzt schon auf der Kulturraum-Website nach Angeboten für Proben- und Projekt­räume schauen. Bewerben können sich alle Künstler:innen, die in Berlin wohnen und arbeiten. Über die Vergabe entscheiden am Ende Fachjurys.

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