Mehr Macht für Russlands Inlandsspitzel: Verhaften auf Verdacht

Der russische Geheimdienst FSB darf künftig noch mehr: Dank eines neuen Gesetzes können staatliche Organe jetzt auch schon präventiv gegen missliebige Bürger vorgehen.

Festgenommen wegen öffentlichen Protests: Zwei Regimekritikerinnen bei einer nicht genehmigter Demonstration in Moskau. Bild: dpa

MOSKAU taz | Russlands Inlandsgeheimdienst FSB rüstet juristisch auf. Nach der Duma winkte am Montag auch der Föderationsrat ein von Staatspräsident Dmitri Medwedjew initiiertes Gesetz durch, das die Befugnisse des FSB erheblich erweitert.

Mit Strafen muss nun rechnen, wer Anweisungen des Geheimdienstes ignoriert oder sich ihnen widersetzt. Nach offizieller Lesart soll das Gesetz dem Anwachsen "extremistischer Aktivitäten" in der russischen Gesellschaft entgegenwirken. Die Initiatoren berufen sich auf Erhebungen der Generalstaatsanwaltschaft, wonach extremistische Straftaten 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent zunahmen. Der Extremismusverdacht reicht nun aus, um gegen Bürger "präventive Maßnahmen" einzuleiten, auch wenn sie sich noch keiner Straftat schuldig gemacht haben. Die Behörde ist ermächtigt, Bürger zu verwarnen, wenn sie der Auffassung ist, dass deren politisches Verhalten zukünftig zu einer ungesetzlichen Tat führen könne.

Die Formulierungen des Gesetzes sind absichtlich schwammig und dehnbar. Unklar ist auch, auf welcher Grundlage der FSB Verwarnungen aussprechen will. "Vermutlich anonyme Spitzelberichte", meint die Nesawissimaja Gaseta. Missachtet der Verwarnte den Hinweis der Behörde, kann diese prophylaktisch den Unbotmäßigen bis zu 15 Tage in Sicherheitsgewahrsam nehmen. Bislang erhielten Bürger eine Geldstrafe, wenn sie sich Anordnungen von Polizei und Sicherheitskräften widersetzten.

Das Gesetz richtet sich nicht in erster Linie, wie zu vermuten wäre, gegen den Terror des islamistischen Untergrunds. Vielmehr orientiert es sich an dem 2007 verabschiedeten "Extremismusgesetz", das Kritik an staatlichen Stellen und das Schüren sozialen Unfriedens zwischen sozialen Gruppen bereits als extremistische Straftat definiert. Kurzum: Wer andere politische und soziale Vorstellungen vertritt als die herrschenden Machthaber, setzt sich dem Extremismusverdacht aus. In der Vergangenheit haben Gerichte harte Strafen verhängt

Anlass für die schnelle Verabschiedung des Gesetzes waren die zahlreichen sozialen Proteste, die Anfang des Jahres landesweit im Kreml für Beunruhigung sorgten. Die außerparlamentarische Opposition ist sich darin einig, dass der FSB damit ein weiteres Instrument zur Einschüchterung der Zivilgesellschaft in die Hand bekommt.

Der Abgeordnete des "Gerechten Russlands", Gennadi Gudkow, vergleicht das Gesetz mit der Praxis des KGB zu Sowjetzeiten. Damals seien solche Maßnahmen "gegen Dissidenten und Leute, die ideologisch schädliche Literatur vertrieben oder ähnlich schädliche Gespräche führten", ergriffen worden. Auch der Menschenrechtsbeauftragte des russischen Präsidenten, Wladimir Lukin, warnte vor dem "gefährlichsten Gesetz", das das Rechtssystem Russlands zersetze. Das Vertrauen der Bevölkerung in den FSB werde dadurch nicht befördert. Er schade sich damit nur selbst.

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