Mehr Geld für Kinder- & Jugendtheater: Mindestlohn für Meerjungfrau
Zufrieden sind die Kinder- und Jugendtheater dennoch nicht: Theaterplätze für Erwachsene werden immer noch mit dreimal so hohen Summen subventioniert.
Die Berliner Kinder- und Jugendtheater bekommen mehr Geld – zufrieden sind sie deshalb aber noch lange nicht. Die zusätzlichen Mittel im kommenden Kulturhaushalt 2018/19, die Kultursenator Klaus Lederer (Linke) unlängst ankündigte, seien ein „erster Schritt in die richtige Richtung“, hieß es am Montag vom Arbeitskreis der Berliner Kinder- und Jugendtheater im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses.
Allerdings reichten die Millionen allenfalls, um „erste Lücken“ zu füllen – denn zum einen hätten die Theater durchweg real „einen weitaus größeren Bedarf“, zum anderen sei es „unverständlich“, warum die freien Spielstätten „in keiner Weise an den Aufwüchsen partizipieren“. Insbesondere die von der Gewerkschaft der Bühnen im Mai ausgehandelte Mindestgage für Gastschauspieler seien für viele Bühnen so kaum finanzierbar.
Rund 1,3 Millionen Euro mehr Budget sieht der Kulturhaushalt für die Kinder- und Jugendtheater in den kommenden beiden Haushaltsjahren vor, insgesamt beträgt die Fördersumme 12,5 Millionen Euro. Kinder- und Jugendtheater sind damit künftig ein Schwerpunkt im Kulturhaushalt. Senator Lederer betonte am Montag, dass es „so etwas“, eine Budgeterhöhung für die Jugendtheater, „seit Jahren, vielleicht sogar seit Jahrzehnten nicht gegeben hat in Berlin“.
Die vier TheatermacherInnen, die auf Einladung von SPD, Grünen und Linken im Ausschuss saßen, dankten dem Kultursenator denn auch erst mal artig für den Goldregen: „Seit der Wende ist das der erste strukturelle Zuschuss, der uns ins Haus steht“, so Kay Wuschek, Intendant des Theaters an der Parkaue in Lichtenberg. „Das sorgt für eine Begeisterung, die es schon eine lange Zeit nicht mehr gegeben hat.“
Skeptische Theaterleute
Dann kam das große „Aber“: Noch immer würden die Kinder- und Jugendtheater im Vergleich deutlich schlechter finanziert als die großen Häuser für die Erwachsenen. „Von einer Gleichstellungspolitik kann da keine Rede sein“, sagte Wuschek.
Sein Kollege Philip Harpain vom Grips Theater am Hansaplatz in Mitte assistierte mit den passenden Zahlen: Im vergangenen Jahr sei etwa ein Zuschauerplatz am Deutschen Theater mit durchschnittlich 156 Euro gefördert worden – ein Platz an den Kinder- und Jugendtheatern hingegen lediglich mit 39 bis 80 Euro. „Und das gilt auch nur für die großen, institutionell geförderten Theater“, sagte Harpain.
Die „großen“, dazu gehören in dem Fall das Atze Musiktheater in Wedding, das Grips, das Theater an der Parkaue und auch das Schöneberger Theater Strahl.
Skeptisch sind die Theaterleute auch, ob sich die ab Oktober geltende Untergrenze von 200 Euro Gage für jeden Gastschauspieler pro Auftritt so einfach realisieren lässt. „Wir zahlen den Schauspielern derzeit 135 Euro brutto, da bleiben dann etwa 80 bis 90 Euro netto“, sagte Wolfgang Stüßel vom Theater Strahl. Zwar sehe der Haushaltsentwurf auch Mittel für diese Tarifanpassung vor, doch „die reichen nach unserer Berechnung nicht“, sagte Vera Strobel vom Landesverband Freie Darstellende Künste.
„Wir könnten mehr machen“
Harpain vom Grips Theater forderte zudem mehr Geld für Stellen: Viele Angestellte arbeiteten „in Doppel- und Dreifachfunktion“. Auch die wachsende Stadt mache sich bemerkbar, sagte Wuschek vom Theater an der Parkaue: „Einige unserer Stücke sind bis zum Ende der Spielzeit ausgebucht, wir könnten mehr machen, haben aber nicht die Kapazitäten.“
Den Vorschlag der Theatermacher, eine zentrale Spielstätte für Kinder- und Jugendtheater einzurichten, um der wachsenden Raumknappheit zu begegnen, lehnte Lederer ab: „Ich glaube an die dezentrale Förderung. Die Beine der Kinder sind zu kurz, die Wege zu lang für eine zentrale Spielstätte.“
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