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Megabauprojekt in KeniaÖl und Bahn statt Krabben und Korallen

Am Indischen Ozean entsteht ein Megaprojekt: In Lamu soll ein Ölterminal gebaut werden. Einem Idyll droht das Aus, Kenia freut sich auf seinen zweiten Tiefwasserhafen.

Von der Abholzung der Wälder profitiert die Wirtschaft, nicht aber die Umwelt. Bild: dpa

LAMU taz | Die breite, staubige Sandstraße endet in einem riesigen Loch. Durch den Mangrovenwald ist das azurblaue Wasser des Indischen Ozeans zu sehen. Ein Mann kommt aus den Bäumen im flachem Salzwasser. Er trägt einen Sack mit lebendigen Krabben.

„Es wimmelt davon“, erklärt der Krabbenfischer, „aber das wird bald nicht mehr so sein, wenn hier der neue Hafen kommt“. Er zeigt die Sandstraße hoch. „Dieser Weg verbindet uns mit dem Rest von Kenia. Seit Jahren betteln wir darum, dass er ausgebaut wird. Jetzt geschah es endlich, ich habe erstaunt zugeschaut.“

Anfang März gaben die Präsidenten von Kenia und Südsudan sowie der Premierminister von Äthiopien hier im kenianischen Lamu das Startsignal für eines der ambitioniertesten Bauprojekte Afrikas: einen zweiten Tiefseehafen für Kenia. Der existierende in Mombasa, über den der Fernhandel mit ganz Ostafrika läuft, ist voll. Der neue Hafen soll in Magogoni entstehen, auf dem Festland hinter der Inselgruppe Lamu, ungefähr hundert Kilometer südlich von Kenias Grenze mit Somalia.

Es ist eine alte Idee, seit vierzig Jahren wird davon gesprochen. Aber seit Südsudan vergangenes Jahr ein eigener Staat wurde und nach neuen Exportrouten für sein Öl sucht, die es von Sudan ökonomisch unabhängig machen würden, ist die Idee wieder aktuell. Südsudan hat mit Kenia verabredet, eine 1.700 Kilometer lange Ölpipeline zu bauen. Äthiopien will eine Eisenbahn nach Lamu bauen. „Lamu-Southern Sudan-Ethiopia Transport Corridor“ (Lapsset) heißt das Megaprojekt, die Kosten werden mit 20 Milliarden Euro beziffert.

Kenia, Südsudan und Äthiopien können das nicht allein finanzieren. Internationale Organisationen wie die Weltbank wurden gefragt, forderten aber eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Darauf hatte Kenias Regierung wenig Lust. Kenia und Südsudan fragten also die Chinesen. Die halten sich aber zurück, aus Rücksicht auf Sudan. Das Thema wurde diese Woche beim Chinabesuch des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir angesprochen, Berichten zufolge ohne Ergebnis.

Die Interessentengruppe zur Rettung Lamus fürchtet um das Swahili-Volk

In Lamu herrscht große Unruhe über den neuen Hafen. „Wir fürchten um die Existenz des Swahili-Volkes“, murrt der alte Mohamed Ali Badi. „Der Hafen wird uns marginalisieren und unsere Umwelt ruinieren.“ Der pensionierte Lehrer deutet auf ein mehr als hundert Jahre altes Bild an der Wand: Fort Lamu auf der gleichnamigen Insel. Er ist Mitglied der Interessengruppe „Rettet Lamu“, die vor Gericht ziehen will, um den Bau des Hafens zu verschieben.

Lamu ist eigentlich ein idyllischer Ferienort. Das klare Wasser ist ein Paradies für Taucher. Auf den Inseln, wo es kaum Autos gibt, sorgen 6.000 Esel für den Verkehr. Lamu zählt 22 Moscheen, einige weit über 100 Jahre alt. Im 7. und 8. Jahrhundert kamen arabische und persische Händler an die ostafrikanische Küste und vermischten sich mit der lokalen Bevölkerung, woraus das Swahili-Volk entstand.

„Wo die Hafenbuchten hinsollen, brüten jetzt noch Fische. Wir fischen auf traditionelle Art in den Lagunen, wodurch der Fischstand aufrechterhalten wird. Wenn der Hafen kommt, verlieren wir unsere Einnahmen, weil wir auf dem offenen Meer nicht mit den Fischverarbeitungsfabriken der Chinesen, Malaysier und Spanier konkurrieren können“, erzählt Mohamed Somo, der an einer Mauer der größten Landungsbrücke von Lamu lehnt. Dort herrscht viel Betrieb. Dhows, die traditionellen Holzschiffe, bringen Erfrischungsgetränke, Zement und Babymilchpulver.

Die Regierung darf geschützte Wälder abholzen

Abdulrahman Aboud schaut zu. Er handelt mit Holz aus den Mangrovenwäldern. Die Wälder sind heute geschützt, das Holz darf nur noch lokal genutzt werden, nicht mehr exportiert. „Wir halten uns an die Umweltregeln“, sagt der Händler. „Aber jetzt darf die Regierung unbegrenzt holzen.“

Muhsin Kassim verankert sein Dhow. Er bietet Touristen Bootsausflüge an. Auch er fürchtet den neuen Hafen. „Das Korallenriff muss zum Teil weg, weil Schiffe mit Tiefgang sonst nicht den Hafen erreichen können. Aber die Korallen sind geschützt und sie halten die Haie fern von den Lagunen.“

Es ist schwierig, in Lamu Anhänger des Hafens zu finden. Einer ist Abdalla Fadhil, ehemaliger Bürgermeister von Lamu und heute Bauunternehmer. Er kann es kaum erwarten, dass 2015 der erste Teil des Hafens fertig sein soll. Sein Büro ist ein Tisch in einem Restaurant. Die Regierung hat ihn zum Vorsitzenden einer Kommission ernannt, die die Bevölkerung über den Hafen aufklären soll. Aber vorläufig ist die Kommission arbeitslos, denn Geld bekam sie keines.

„Der Hafen bedeutet Entwicklung“, erklärt Abdalla Fadhil. „Diese Region ist zurückgeblieben, und es ist die höchste Zeit, dass wir unseren Rückstand einholen.“ In Lamu gebe es große Armut hinter den idyllischen Altstadtfassaden. Und dass die Mangrovenwälder und die traditionelle Fischerei verschwinden, stört ihn auch nicht: „Am Hafen entsteht eine neue Stadt, wo eine halbe Million Menschen leben sollen. Das bringt noch mehr Arbeitsplätze.“

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5 Kommentare

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  • I
    I.E.

    Das Problem ist nicht das Projekt 'ost-afrikanischer Transportkorridor' als solches; dieser Korridor ist in der Tat für alle beteiligten Länder und Regionen sehr wichtig und potentiell gewinnträchtig und positiv. Das Problem ist die Wahl der Route.

    (Siehe z.B. "The Lamu Port and Lamu Southern Sudan-Ethiopia Transport Corridor (LAPSSET)" http://kenyaembassy.com/pdfs/diaspora/Ministry%20of%20Transport-2nd%20Transport%20and%20Economic%20Corridor-LAPSSET%20by%20P.S%20Dr%20Cyrus%20Njiru.pdf)

    Von der zu erwartenden Unterschlagungsorgie einmal abgesehen: Statt extremste Summe in eine komplett neue Trasse durch die menschenleeren Trockengebiete des kenianischen Südostens und die Zerstörung des Kleinodes Lamu auszugeben sollte sie in die existierende Infrastruktur des Hochlandes und des Nairobi-Mombasa Korridors münden und verfügbare Gelder in ihren Ausbau investiert werden.

    Ich bin in allen betroffenen Gebieten unterwegs und kann versichern dass es auch in den relativ gut ausgebauten Zonen noch viel zu verbessern gibt. U.a. ist der wichtigste und meist befahrene "Highway" Kenias großenteils schmaler und von deutlich schlechterer Qualität als eine zweispurige deutsche Fernverkehrsstraße und führt, ohne irgendwelche fly-overs (Überführungen), mitten durch die Ortschaften. Hier wäre das Geld sehr gut angelegt, würde aber auch mehr kommunale Mitsprache erfordern.

    Außerdem rechtfertigen weder der existierende, noch der zu erwartende internationale Güterverkehr keine neue Südost-Trasse. Auf der Strecke Juba-Lokichoggio-Kitale, der Hauptverbindungsader zwischen Südsudan und der Küste, vergehen manchmal Stunden, bevor man einen LKW zu sehen bekommt; und für die Route Moyale (Äthiopien)-Isiolo (Kenya) sieht das nicht viel besser aus. Eine Pipeline wäre für Südsudan sicherlich ein (nicht zuletzt strategisch) extrem wichtiges Faktum, ein Transport des Öls über die (ebenfalls geplante) Eisenbahnlinie aber eine ökonomisch und mit Blick auf die Zukunft noch sinnvollere Option. Beides wird um so naheliegender als im 'Transitraum' Turkana in Kenia's Nordwesten gerade das erste viel versprechende Ölvorkommen des Landes gefunden wurde. Wiederum könnten existierende Strukturen genutzt und verbessert werden.

    Dass aber auch neue Pipelines, Straßen etc. keine Industrie o.ä. in Wüsten und Halbwüsten bringen, kann man an unzähligen Beispielen, nicht zuletzt in Kenia, deutlich sehen. Kapital entscheidet sich i.A. für den 'günstigeren Standort', das wissen auch die nationalen Politiker die im eigenen Interesse rhetorisch anderes implizieren.

    Einige gute Artikel dazu findet man auch in der Online-Edition des EastAfrican.

  • K
    Kirsten

    Wer Lamu und die Menschen dort kennt, der weiss das hier ein Paradies und eine Kultur vernichtet wird. Dies als enorm wichtiges Projekt zu bezeichnen zeugt von Unwissenheit. Die wirtschaftliche Problematik, die in Ostafrika vorliegt, ist einzig und alleine auf dem Mist von korrupten Politikern entstanden.

  • J
    J.-P.Klose

    5 Jahre Tätigkeit in der Entwicklungszusamenarbeit im südlichen Afrika haben mir immer wieder gezeigt, dass dergleichen Projekte "weißer Elephanten" für breitere Bevölkerungsschichten, insbesondere die bedürftigsten, die in Kenia mit weniger als 1$ pro Tag auskommen müssen, keinerlei Verbesserungen bringen. Wer die Verhältnisse auch nur annähernd kennt, weiß, wo die Fördermittel und die Gewinne landen: bei den Multinationalen Konzernen als Betreibern und in den Taschen der korrupten Eliten, sprich auf Schweizer Nummernkonten.Ein Hochsee- Öl- und Containerterminal ist in höchstem Maß technisiert,automatisiert und bietet dementsprechend nur wenigen qualifizierten Mitarbeitern überhaupt eine Beschäftigung. Die Effekte für die in dieser Region ländlich von Subsistenzwirtschaft lebende Bevölkerung werden marginal, die schädlichen Umwelteffekte jedoch maximal sein.

  • M
    Mango

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    Ich bin ein gebürtiger Somalier und lebe seit vielen Jahren in Deutschland. Ich komme aus einem kleinen Ort, nicht weit von der südlichen Grenze zwischen Kenia und Somalia. Ich kenne die Gegend sehr gut, weil als kleine Junge und Kamelhüter, ich sehr oft in der Gegend von Lamu-District war und ich weiß wovon ich spreche.

    Wie viele Megaprojekte gab es in Afrika seit 1960? Unendlich viel. Dieses sogenannte Megaprojekt ist nichts anderes als Prestigeprojekt für die drei Diktaturen der drei Länder. Es ist kein Geheimnis, dass die beiden Regierungen von Kenia und Äthiopien den korruptesten Staaten Afrikas zugehören. Es wird nur elend, Armut und Umweltzerstörung für Bevölkerung der Region bringen. Die kenianische Regierung ist korrupt bis zum geht nicht mehr. Ich appelliere an allen Umweltbewusste Menschen in der ganzen Welt, diesem Projekt zu verhindern. Für die Menschen am Horn von Afrika bedeutet das, das Chernobyl in Ostafrika.

     

    Mango, aus BRD

  • D
    Dirk

    Ein enorm wichtiges Projekt, das Ostafrika neue Hoffnung gibt. Die Konservierung alter Strukturen kann die zunehmende Bevölkerung aller drei Staaten nicht ernähren. Der Artikel ist aber insofern zu loben, dass er sachlich ist und nicht in - häufiger - öko-arroganter Manier daherkommt.