Mega-Insektenfarm in den Niederlanden: Fabrik für krabbelndes Tierfutter

Mit viel Tamtam eröffnet die größte Insektenfarm Europas in Bergen op Zoom. Sind Fliegenlarven besseres Viehfutter als Importsoja?

Tausende Mehlwürmer

Kommen nicht in den Insektenriegel, sondern ins Viehfutter: Mehlwürmer aus der Insektenfarm Foto: dpa

BERLIN taz | Es geht nicht um Ersatz für Burger-Fleisch oder neue Knabberartikel, sondern um einen Beitrag zur nachhaltigen Produktion von Fisch, Fleisch und Eiern. Das teilte die niederländische Regierung jedenfalls mit, als König Willem-Alexander am Dienstag in Bergen op Zoom eine der modernsten Insektenfarmen Europas eröffnete.

In der Anlage des Unternehmens Protix sollen Insekten als Tierfutter gezüchtet werden, als „vielversprechende alternative Quelle“ für Eiweiß.

Auf dem Markt für Insekten als Viehfutter übersteigt die Nachfrage längst das Angebot. Als besonders geeignet gilt die Schwarze Soldatenfliege, weil ihre Larven relativ anspruchslos sind und verschiedenstes organisches Material in teils hochwertige Proteine und Fette umwandeln können.

Bislang ist in der EU die Verfütterung von toten Insekten nur in der Fischzucht und an Haustiere gestattet, weshalb Protix vor allem eine Art Insektenmehl für diese Bereiche produziert. Die Firma züchtet aber auch lebende Insekten als Futter für Geflügel. Diese sind vom EU-Verbot ausgenommen.

„Das bringt die ganze Industrie nach vorn“

Erwartet wird zudem, dass das Verbot für die Schweine- und Geflügelzucht bald aufgehoben wird. Protix-Mitbegründer Tarique Arsiwalla erwartet dadurch deutliche Zuwächse. „Ich sehe für unseren Betrieb auch Chancen bei der Schweine- und Geflügelzucht in Deutschland“, sagte er dpa.

Kein Wunder, dass es auch hierzulande Bestrebungen gibt, Insekten gewinnbringend zu züchten. Heinrich Katz, Geschäftsführer des deutschen Soldatenfliegen-Marktführers Hermetia GmbH, begrüßt die Eröffnung der neuen Farm in den Niederlanden: „Das bringt die ganze Industrie nach vorne.“ Wie hoch man dort das Potenzial einschätze, zeige sich auch daran, dass der König höchstselbst zur Eröffnung gekommen sei.

„So einen Stellenwert hat die Nutzung von Insekten in Deutschland leider noch nicht“, sagt Katz. „Vor allem auf Bundesebene werden uns viele Steine in den Weg gelegt.“ Das Beharrungsvermögen deutscher Behörden werde zwar mit Nahrungssicherheit und anderen Risiken begründet, sei aber innovationsfeindlich. Dabei scheinen die Vorteile auf der Hand zu liegen. Kunden würden umweltbewusster, erklärt Arsiwalla. „Was ist natürlicher: Insekten oder Soja, das man vom anderen Ende der Welt einfliegt?“

Knackpunkt ist die Herkunft des Insektenfutters

Die Firma Protix gibt an, nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft zu produzieren: Pflanzliche Nahrungsmittelreste werden als Futter für die Insekten wiederverwertet. Diese wiederum bilden den eiweißreichen Grundstoff für Tierfutter, das importiertes Soja und Fischmehl ersetzen und deren fatale Umweltwirkungen mindern soll.

Wie nachhaltig das ist, ist unklar. Protix veröffentlicht keine Details zum Futter, das die Insekten bekommen – das aber ist der Knackpunkt der Ökobilanz. Zwar sind die Niederlande großzügiger in der Gesetzesauslegung, sie können aber auch nur in der EU zugelassene Futtermittel freigeben. Viele organische Abfälle sind tabu. Wer etwa weggeworfene Lebensmittel verfüttern wollte, müsste nachweisen, dass für Konsument*innen keine gesundheitlichen Gefahren bestehen. Und damit ist die Frage nach der Vermeidbarkeit von „Abfällen“ in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion noch nicht einmal gestellt.

Zudem sind die Produktionsmengen noch klein: „Am weltweiten Maßstab gemessen, ist es noch eine absolute Nische“, sagt Katz. In den Niederlanden gibt es zurzeit etwa 25 Insektenfarmen. Umsatzzahlen geben sie nicht preis, die Produktionskapazität liegt im niedrigen vierstelligen Tonnenbereich.

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