Meereskonferenzen in der Kritik: Schwere Zeiten für Korallen

Den Ozeanen und ihren Bewohnern geht es schlecht. Aktuelle Konferenzen schaffen zwar Aufmerksamkeit – doch etwas fehlt.

Ein Mensch mit einer Fisch-Verkleidung auf dem Kopf geht eine Promenade entlang

Viele Worte, wenig Taten – das kritisieren Aktivist*innen, hier in Lissabon Foto: Pedro Nunes/reuters

BERLIN taz | „Die Ozeankonferenz hat 11.000 Menschen angezogen“, sagt Thilo Maack, „hoffentlich bleibt von ihr mehr als rhetorisch hochtrabende Versprechungen“. Der Greenpeace-Meeresexperte bringt es auf den Punkt: Die einwöchige Konferenz der Vereinten Nationen zum Meeresschutz in Lissabon, die Freitag zu Ende gegangen ist, hat viele Themen auf die öffentliche Agenda gebracht und Ziele benannt. Doch hat sie weder ausgewertet, inwieweit die Ziele vergangener Konferenzen umgesetzt wurden, noch hat sie festgelegt, wie künftige Maßnahmen überprüft werden sollen.

Die Abschlusserklärung biete nicht mehr als Unverbindlichkeiten, kritisierte ein breites Bündnis Umwelt- und Entwicklungsverbänden, darunter der der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Brot für die Welt und das Sharkproject.

Immerhin: Eine „Vielzahl von Einzelinitiativen wurden gestartet, die Impulse für Tiefseebergbau, Fischerei und Unterwasserlärm“ gäben, räumte das Verbändebündnis ein. So hätten die pazifischen Inselstaaten Palau und Fidschi „mit einem Paukenschlag am ersten Konferenztag einen Schwerpunkt für den weiteren Konferenzverlauf“ gesetzt, indem sie ein Moratorium für Tiefseebergbau forderten. Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) solle vorerst keine Genehmigungen für einen Abbau am Meeresboden erteilen.

„Die Blue-Leaders, eine Gruppe von Staaten – darunter auch Deutschland – hat sich erneut für die Einrichtung von mindestens 30 Prozent Schutzgebieten bis spätestens 2030 ausgesprochen und verfolgt das Ziel, noch in diesem Jahr ein Steuerungsinstrument zur Einrichtung von Schutzgebieten auf der Hohen See zu verabschieden“, sagt Maack von Greenpeace. Es gehe um nicht weniger als 43 Prozent der planetaren Oberfläche.

Schutzgebiete seien wichtig und notwendig, aber kein Allheilmittel, sagt Christina Aust vom Sharkproject International: „Gerade Hochseehaie wandern unglaublich weit und halten sich nicht nur in vom Menschen vorgegebenen Schutzgebieten auf. Um den Hai zu schützen, sei es wichtig, die industrielle Fischerei extrem einzuschränken, Fangquoten stark zu senken und alle Fangaktivitäten zu überwachen. Verstöße müssten umfangreich aufgedeckt und geahndet werden.

Folgen für Korallenriffe

Auch Korallenriffe leiden unter illegaler Fischerei – und unter Versauerung, berichtet Katharina Fabricius, die sich als Leitende Wissenschaftlerin am Australischen Institut für Meeresforschung mit den Folgen des Klimawandels für Korallenriffe befasst. Aus Townsville im Osten Australiens ist sie nach Bremen gereist, wo noch bis Freitag das große wissenschaftliche Symposium der internationalen Korallenriff-Gesellschaft stattfindet – erstmals in Europa.

Fabricius stellt ihre Forschungen zu den Auswirkungen erhöhter Kohlendioxid-Konzentrationen im Ozean vor. Um zu verstehen, wie die Tiere auf die Versauerung reagieren, untersucht die Biologin besondere Korallenriffe in Papua-Neuguinea, die von Natur aus seit Jahrhunderten erhöhten CO2-Konzentrationen ausgesetzt sind.

„Sie zeigen, dass Korallenriffe auch unter solchen Bedingungen leben können“, sagt Fabricius, „aber sie verändern sich“. Korallen mit den charakteristischen Verzweigungen sind darin selten, statt dessen dominieren kugelförmige Arten. Verzweigte Korallen bieten einer Millionen Arten einen Lebensraum, in den Riffen mit hohem CO2 können sich Fische oder Krebse nicht verstecken, die Erosion ist dort höher, sie bieten weniger Nahrung.

„Steigt das CO2 weiter an, wird es auch künftig Korallenriffe geben, aber sie werden sehr vereinfacht und weniger artenreich sein“, sagt Fabricius. Die erhöhten Kohlendioxidwerte fördern zudem das Wachstum von Großalgen, die mit den Korallen in Konkurrenz treten.

Problem: Hitzewellen

Obwohl es dem Great Barrier Reef in Australien vergleichsweise besser geht als Riffen in dicht besiedelten Gebieten, die zusätzlich unter illegaler Fischerei litten, beobachte man dort ähnliche Prozesse. In Australien gab es in den vergangenen sieben Jahren vier starke Hitzewellen, die das Riff geschädigt haben. Nach diesen „Störungen sind stets neue Korallen nachgewachsen“, sagt Fabricius, „schnell wachsende Arten, die aber sehr empfindlich sind“. Ein Teufelskreis: Das Riff erhole sich zwar, werde aber immer weniger resilient, also weniger widerstandsfähig.

„Das alles hätten wir im Labor nicht beobachten können“, sagt Fabricius, „dazu war Feldforschung nötig“. Der wissenschaftliche Austausch auf der Konferenz in Bremen sei wichtig, betont sie. „Wir liefern die Daten und Fakten, auf deren Basis andere ihre Entscheidungen treffen können“.

Wenn jetzt sehr rasant gute klimapolitische Entscheidungen getroffen würden, dann würden es die Riffe weltweit doch noch schaffen, sagt Fabricius. „Aber wenn wir in den nächsten zehn Jahren so weiter machen wie bisher, dann verlieren wir unsere Riffe“.

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