Meduza-Auswahl 20. bis 26. Juli: Russlands Eliten gegen die Ukraine
Viele Russinnen und Russen unterstützen den Angriffskrieg – aber weniger der kleine Mann, sondern die globalisierten Gebildeten. Texte aus dem Exilmedium.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 20. bis 26. Juli 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
„Putins Krieg“ oder der Krieg der Russen und Russinnen?
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sprechen viele von „Putins Krieg“. Soziologische Umfragen kommen aber zu dem Ergebnis: Die Unterstützung für die Invasion ist unter Russinnen und Russen hoch. Und: Mit sowjetischen Werten aufgewachsene Menschen, die Propaganda konsumieren, sind die idealen Unterstützer dieses Krieges.
Meduza veröffentlicht in diesem Beitrag (russischer Text) die Perspektive eines unabhängigen Forschers, der weiterhin in Moskau arbeitet und dessen Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden darf. Er erklärt zwei wichtige Aspekte, die helfen, diese Umfragen besser einzuordnen: Eine hohe Zahl von Menschen weigere sich, an Umfragen teilzunehmen. Und: vor allem die reichen Bewohner Russlands unterstützen den Krieg – nicht die „einfachen Leute“, sondern die „informierten und globalisierten Eliten“.
„Wir wissen erstaunlich wenig über die postsowjetischen Eliten – sie sind aus unserer sozialen Vorstellungskraft völlig verdrängt worden“, erklärt er, „durch die Figur des einfachen Mannes, des ‚Volkes‘, mit dem die russische Bildungsschicht seit Jahrhunderten die Wechselfälle ihrer Geschichte erklärt.“
Dekoder hat den Beitrag ins Deutsche übersetzt.
„Ich habe den Krieg ausgelöst“
Igor Girkin, ein russischer Ultranationalist und ehemaliger Geheimdienstler, der auch unter dem Namen Igor Strelkov bekannt ist, organisierte im Jahr 2014 den Abschuss eines Passagierflugzeugs über der Ukraine. „Ich bin derjenige, der den Krieg ausgelöst hat (…) Unser Kommando hat das Schwungrad des Krieges in Gang gesetzt, der immer noch andauert“, sagte Strelkov im Herbst 2014 der ultrakonservativen russischen Zeitschrift Zavtra (Morgen).
Laut Kreml-nahen Meduza-Quellen musste Strelkov 2013 den Donbass verlassen. Im November 2022 verurteilte ein Gericht in den Niederlanden Strelkov und zwei weitere Angeklagte zu lebenslanger Haft im Zusammenhang mit dem Abschuss des Malaysia-Airlines-Flugs 17 (MH17) in der Region Donezk. Keiner der Angeklagten erschien vor Gericht, und Russland liefert seine Bürger nicht aus.
Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 kritisiert Strelkov regelmäßig den Verlauf des Krieges und kritisiert die militärische und politische Führung Russlands. Am 21. Juli wurde er nun verhaftet, weil er Wladimir Putin in den sozialen Medien kritisiert hatte. Meduza erzählt die ganze Geschichte (englischer Text).
Putins Russland ist eine „Diktatur der Täuschung“
Meduza geht der Frage nach (russischer Text), ob die Opposition in Russland jemals eine Chance hatte, Wladimir Putin zu stürzen. Dafür spricht das Exilmedium mit dem Politikwissenschaftler Daniel Treisman, der zusammen mit dem Wirtschaftswissenschaftler Sergej Guriew ein Buch über moderne Autokraten geschrieben hat.
„Putin schüchtert seine Gegner ein und macht ihnen klar, dass sie keine Chance haben, an die Macht zu kommen. Gleichzeitig versucht er, den Teil der Gesellschaft zu beruhigen, der den demokratischen Werten treu ist und dennoch bereit ist, das derzeitige militaristische Regime zu akzeptieren“, beschreibt Guriew.
Er meint: Putin habe sich seit 2000 extrem verändert, die Idee der Zusammenarbeit mit dem Westen habe er aufgegeben. „Doch zunächst allmählich, in den letzten Jahren immer schneller, fiel dies alles weg“, sagt er. Im Gespräch mit Meduza spricht Treisman auch von einem desillusionierten Putin, von einer „Diktatur der Täuschung“, weil sich die russische Gesellschaft rasch modernisierte – und Putin fürchtete, die Kontrolle darüber zu verlieren.
Ukrainische Profi-Fußballer spenden für die Opfer des Krieges
Andriy Shevchenko und Oleksandr Zinchenko sind Superstars des ukrainischen – und weltweiten – Fußballs. Seit Beginn des Ukraine-Krieges sammeln sie Millionen von Dollar für die Opfer des Krieges. Nun bauen sie eine Schule nahe der nordukrainischen Stadt Tschernihiw, in der Nähe der belarussischen Grenze, wieder auf.
Meduza erklärt (russischer Text), wie die Initiative zusammenkam und wie sie umgesetzt wurde. Die Fußballer arbeiten zusammen mit der Spendenplattform United24, die von den ukrainischen Behörden ins Leben gerufen wurde. Die gesammelten Gelder werden auf drei Bereiche verteilt: Verteidigung und Minenräumung, humanitäre und medizinische Hilfe sowie Wiederaufbau der Ukraine.
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