Meduza-Auswahl 13. bis 19. April: An Putin vorbei entschieden
Über Russlands neues Rekrutierungsgesetz wurde Putin nicht mal informiert, berichtet Meduza. Und: Liebe in Kriegszeiten.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 13. bis 19. April 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Russlands radikales neues Einberufungssystem
In Russland gilt nun ein neues System der militärischen Rekrutierung. Wer nicht kämpfen will, kann das Land nicht mehr verlassen, und wer die Einberufungsbescheide ignoriert, muss innerhalb Russlands mit Strafen, Einschränkungen und der Beschneidung seiner Rechte rechnen.
Dass der russische Staatspräsident Wladimir Putin an der Ausarbeitung des neuen Wehrpflichtgesetzes nicht beteiligt war, nicht einmal darüber informiert wurde, berichten zwei Kreml-Insider (englischer Text) Meduza.
Laut den Quellen des Exilmediums habe das russische Verteidigungsministerium die Änderungen initiiert. Seit 2018 gibt es einen Gesetzentwurf, der das russische Wehrpflichtgesetz verändern sollte. Doch wenige Stunden bevor die Änderungen am 11. April in der Staatsduma überstürzt verabschiedet wurden, kam ein zusätzliches, weitaus radikaleres Änderungspaket hinzu. Die Abgeordneten sollen außerdem über den Inhalt der Gesetzesänderung bis zur Abstimmung nicht informiert worden sein.
„Schäme mich für mein Land“: Briefe an Evan Gershkovich
Im März wurde Evan Gershkovich, Reporter des Wall Street Journal, vom russischen Föderalen Sicherheitsdient (FSB) verhaftet. Der Vorwurf: Spionage. Es ist das erste Mal seit dem Ende des Kalten Kriegs, dass ein US-amerikanischer Journalist in Russland festgenommen wurde. Nach Angaben des US-Mediums Bloomberg wurde die Verhaftung von Putin persönlich genehmigt.
Am Dienstag stand Gershkovich zum ersten Mal in Russland vor Gericht. Er und sein Anwalt haben Einspruch gegen die Haft eingereicht. Das Moskauer Stadtgericht ist deren Argumentation nicht gefolgt, der US-Journalist bleibt vorerst in Haft.
Seit seiner Festnahme hat Meduza Briefe an Gershkovich gesammelt. Das Medienportal veröffentlichte diese Woche einige der Botschaften (englischer Text), in denen Stimmen aus Russland und aus der Diaspora zu lesen sind, etwa: “Ich schäme mich für mein Land.“
Chef der Wagner-Söldnertruppe will mehr politische Macht
Dass es Jewgenij Prigoschin, Kopf der russischen Söldnertruppe Wagner, nach mehr politischer Macht dürstet, ist bekannt.
Wie Meduza berichtet (englischer Text), plant er, die Kontrolle über einen wichtigen Zweig der Partei „Gerechtes Russland – Patrioten – Für die Wahrheit“ auf föderaler Ebene zu übernehmen. Diese bezeichnet sich selbst als sozialdemokratisch oder sozialrevolutionär und wird von Sergei Mironow geleitet.
In der Vergangenheit hatte Meduza bereits über Prigoschins Wunsch berichtet, eine konservative Bewegung zu gründen, die er schließlich in eine Partei umwandeln könnte. Dass das im Kreml auf Begeisterung stößt, kann bezweifelt werden: Prigoschin, oft “Putins Koch“ genannt, gilt als unberechenbar.
Wie der russische Angriffskrieg ein Anti-Kreml-Paar spaltet
Vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine waren die russische Künstlerin Ljudmila Rasumowa und ihr Ehemann Alexander Martynow ein glückliches Paar, das seine Liebe auch gerne in den sozialen Medien teilte. Aus der Region Twer reiste das Paar nach Kriegsbeginn nach Moskau, um an den Massenprotesten teilzunehmen. Auch mit Graffitis drückten sie ihren Protest aus, bis sie aufgrund dessen festgenommen wurden.
Vor Gericht standen sie schließlich nicht nur wegen Vandalismus, sondern auch wegen Verbreitung von Desinformationen im Rahmen des neuen russischen Gesetzes gegen „Fake News“ über das russische Militär. Beide wurden zu je über sechs Jahren Haft verurteilt.
Meduza erzählt die Liebesgeschichte des Paares nach, dessen Beziehung an dem Druck der Haft und der Gerichtsverhandlungen zerbrach – und an dem unterschiedlichen Umgang der beiden mit ihren politischen Ansichten (englischer Text).
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945